Zum Hauptinhalt springen

Übernahmeangebot durch Aufsichtsratswahl

Von Christian Temmel

Wirtschaft

Gemeinsames Vorgehen von Aktionären. | Kontrollausübung im Unternehmen. | Wien. Nach dem österreichischen Übernahmegesetz (ÜbG) muss immer dann ein Übernahmeangebot gestellt werden, wenn - stark vereinfacht - jemand eine Beteiligung von mehr als 30 Prozent an einer Gesellschaft erwirbt. Dabei wird nicht nur darauf abgestellt, wie viele Anteile ein Bieter alleine hat; Vielmehr werden die Anteile von jenen Personen zusammengezählt, die gemeinsam mit dem Bieter vorgehen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Nach dem ÜbG werden diese Personen als gemeinsam vorgehende Rechtsträger bezeichnet. Das sind "natürliche oder juristische Personen, die mit dem Bieter auf der Grundlage einer Absprache zusammenarbeiten, um die Kontrolle über die Zielgesellschaft zu erlangen oder auszuüben, insbesondere durch Koordination der Stimmrechte". Weiters wird vermutet, dass mehrere Rechtsträger gemeinsam vorgehen, wenn sie eine Absprache über die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder getroffen haben.

Kontrolle durch Wahl

Es geht darum, dass aufgrund einer Absprache von Aktionären die Kontrolle über eine Gesellschaft erlangt wird. Bei der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern erfolgt die Ausübung von Kontrolle bereits in dem einmaligen Akt der Wahl, weil dadurch eine Person längerfristig in einem zentralen Organ positioniert wird. Eine dauerhafte Einflussnahme auf ein Aufsichtsratsmitglied ist nicht erforderlich.

Treffen nun mehrere gemeinsam kontrollierende Aktionäre eine Absprache über die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds, löst dies - wenn die Absprache zu Zwecken der Kontrolle über ein Unternehmen erfolgte - ein Übernahmeangebot aus.

In der Praxis stellt sich das Problem, dass ein Investor, der Anteile an einer Gesellschaft erwirbt, in der Regel einen oder mehrere Vertreter im Aufsichtsrat sehen möchte. Investoren führen regelmäßig Gespräche mit anderen Großaktionären, um klarzustellen, dass ein Aufsichtsratsmandat eine wichtige Bedingung für den Anteilserwerb ist. Wird eine Vereinbarung über die Besetzung eines Aufsichtsratsmandates getroffen, kann dies ein Übernahmeangebot auslösen.

Was dürfen Aktionäre?

Aber auch ohne Neueinstieg eines Investors, nämlich wenn ein Aufsichtsratsmandat schlicht nach zu besetzen ist, stellt sich die Frage, welche Schritte Aktionäre setzen dürfen. Dürfen sie untereinander beraten, wen man als geeigneten Kandidaten ansieht? Nach dem bloßen Wortlaut des ÜbG könnte bereits in diesem Fall die Vermutung des gemeinsamen Vorgehens bestehen. Ein Naheverhältnis des Kandidaten zu einem oder mehreren Aktionären könnte ein Indiz sein, dass eine Absprache zur Wahl dieser Person nicht der optimalen Organbesetzung, sondern dem Zweck der Kontrollausübung dient. Damit könnte ein Übernahmeangebot ausgelöst werden.

Bei der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern muss daher darauf geachtet werden, dass keine Absprache über die Wahl vorliegt und dass auch keine Vermutung einer Absprache besteht. Sonst könnte diese die teure Folge eines Übernahmeangebots nach sich ziehen.

Ein ausführlicher Beitrag von Christian Temmel erscheint auch in der Fachzeitschrift "Aufsichtsrat aktuell" des Linde Verlags.