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Überschätzte Minister

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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"Unsere Politiker sind zu feig, zu blöd, zu ahnungslos": So watschte Erste-Bank-Chef Andreas Treichl vor einigen Jahren die heimische Classe politique ab (wofür er sich später entschuldigte).

Abgesehen von der Frage, ob ausgerechnet Banker zu solchen Urteilen berufen sind, bleibt die Streitfrage, die nun anlässlich der Rochaden im SPÖ-Regierungsteam erneut diskutiert wird: Was macht aus einem Politiker einen guten Politiker, über welche Fähigkeiten muss ein Minister, ein Kanzler verfügen?

Für die Politiker selbst lässt sich die Frage leicht beantworten: Für sie ist das Ausstrahlen von Sympathie und Sachkompetenz wichtiger, als tatsächlich über Sachkompetenz zu verfügen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Politologen Daniel Pontzen unter mehr als 1000 deutschen Politikern (für Österreich dürften die Ergebnisse ziemlich ähnlich ausfallen). Es ist dies die naheliegende Reaktion auf unsere Mediendemokratie.

Ist das schlecht? Nicht unbedingt. Ein Minister steht an der Spitze eines hochspezialisierten Beamtenapparats. Seine Kernaufgabe besteht in der politischen Zielvorgabe und Steuerung dieser Bürokratie. Dass er dabei seinen politischen Überzeugungen folgt, versteht sich von selbst. Seine Dienste als Diener, die in der ursprünglichen Bedeutung seiner Funktion noch mitklingen, beziehen sich allerdings auf die Republik, auf die er vereidigt ist, und nicht auf die Partei, der er sein Amt verdankt. Doch grau ist alle Theorie.

Dass Minister - mitunter lächerlich schnell - zu Reservekanzlern hochgeschrieben und am allerliebsten ohnehin Landeshauptmann wären, ist eine Absonderlichkeit des hiesigen politischen Betriebs. Mediengewandtheit ist zweifellos von Vorteil, es muss allerdings nicht sein. Dank der in der Verfassung verankerten Ressortverantwortlichkeit verfügen Minister über ein hohes Maß an politischer Autonomie in ihrem unmittelbaren Zuständigkeitsbereich. Dem stehen ein starres Beamtendienstrecht, das gegen Veränderungen erstaunlichen Widerstand freisetzen kann, und die Grenzen des politisch Durchsetzbaren in einer politisch heterogenen Koalitionsregierung entgegen. Fehlt einer Regierung die gemeinsame Arbeitsbasis, erübrigt es sich, über die Qualifikation einzelner Minister zu diskutieren. Dann entscheidet nämlich wirklich nur noch die Medienkompetenz bei der Leistungsschau.