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Steht die noch immer heikle Frage nach der Chancengleichheit zwischen Frau und Mann im Raum, wird zumeist auf die Frau geschaut. Dabei wird völlig ausgeblendet, dass immer mehr Männer zurückbleiben.
Jüngste Studien belegen, dass Buben in der Schule oft schlechtere Noten bekommen als Mädchen. Männer sind, so das Ergebnis weiterer Datensammlungen, häufiger krank, trinken mehr, verlieren eher ihre Arbeit oder überarbeiten sich. Viele jener Probleme, die Männer - statistisch gesehen - wesentlich stärker betreffen als Frauen, werden nicht als spezifisch männliche, sondern als allgemein gesellschaftliche Problematik wahrgenommen: Obdachlosigkeit, Suizid, Burn-out, Gewalt, Schulversagen, Alkoholabhängigkeit.
Das legt den Schluss nahe, dass die Krise des Mannes nicht nur übersehen wird, die bloße Vorstellung, Männer bräuchten Hilfe, passt nach wie vor nicht in das Weltbild sehr vieler. Das traditionelle Rollenbild, wonach Mann aktiv und stark sein muss, selbstverantwortlich für Glück und Weh, hält sich hartnäckig. Die These, dass auch Männer auf Hilfe angewiesen sind, passt nicht in das tradierte Bild.
Wobei die Einsicht in die Notlage des Mannes keineswegs heißt, bestehende Benachteiligungen schönzureden. Es gibt sexuelle Gewalt gegen Frauen, es gibt eine Geschlechterdifferenz bei Verdienst und Aufstiegschancen.
Aber die Diskussion über Macht und Gerechtigkeit, über Frau und Mann, ließe sich durchaus ehrlicher führen - auch wenn sie dann wohl noch komplizierter würde, als sie ohnehin seit Menschengedenken schon ist.