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Übertritt in das neue Abfertigungssystem

Von Andreas Tinhofer

Wirtschaft

Die bewusste Täuschung des Vertragspartners über die Kündigungsabsicht macht eine Übertrittsvereinbarung gerichtlich anfechtbar.


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Seit 1.1.2003 gelten in Österreich neue Regeln für die Abfertigung bei Beendigung des Dienstverhältnisses ("Abfertigung neu"). Demnach zahlen Arbeitgeber laufend 1,53 Prozent des Monatsentgelts (sowie des 13. und 14. Gehalts) in eine "Betriebliche Vorsorgekasse" (BV-Kasse) ein, die dieses Geld für die Arbeitnehmer veranlagt. Für vor dem 1.1.2003 angetretene Arbeitsverhältnisse gilt hingegen das System der "Abfertigung alt" grundsätzlich weiter. Auch für diese Arbeitnehmer ist jedoch ein Übertritt in das neue Abfertigungsrecht möglich. Ein solcher Systemwechsel beschäftigte vor kurzem auch den Obersten Gerichtshof (9 ObA 83/13s). In diesem Fall wollte ein Arbeitnehmer in das neue Abfertigungsrecht übertreten und schlug dies dem Geschäftsführer vor. Zusätzlich zu den laufenden Beiträgen sollte das Unternehmen für die vom Arbeitnehmer bereits erworbenen Anwartschaften auf eine Abfertigung (alt) einen Betrag von 25.000 Euro in die BV-Kasse einzahlen.

Der Geschäftsführer war mit dem Übertritt des Arbeitnehmers grundsätzlich einverstanden, bot aber für die Abfindung der Anwartschaften nur 20.000 Euro. Damit gab sich der Mitarbeiter zufrieden. Der Geschäftsführer sagte ferner: "Davonrennen darfst du mir aber nicht gleich." Darauf erwiderte der Arbeitnehmer: "Nein, das ist eh klar." Die Vereinbarung über den Übertritt in das System der "Abfertigung neu" wurde noch am selben Tag unterfertigt. Danach war der Geschäftsführer für eine Woche auf Urlaub. Unmittelbar nach seiner Rückkehr kündigte der Arbeitnehmer.

Im Gerichtsverfahren kam hervor, dass der Arbeitnehmer bereits bei Abschluss der Vereinbarung vorhatte, das Dienstverhältnis umgehend danach durch Kündigung aufzulösen. Der Geschäftsführer ging hingegen davon aus, dass das Dienstverhältnis noch längere Zeit fortgesetzt werde, und hätte andernfalls der Vereinbarung nicht zugestimmt. Dies war auch dem Arbeitnehmer bewusst.

Da der Arbeitgeber die Erfüllung der Vereinbarung verweigerte, brachte der Arbeitnehmer eine Klage ein. Doch die Gerichte folgten dem Arbeitgeber, der die Aufhebung der getroffenen Vereinbarung wegen arglistiger Täuschung beantragte. Entscheidend war der Umstand, dass der Kläger den Geschäftsführer über seine konkreten Kündigungsabsichten bei Abschluss der Übertrittsvereinbarung bewusst getäuscht hat. Der Einwand des Klägers, wonach ein Kündigungsverzicht rechtlich unzulässig wäre, wurde hingegen verworfen.

Für die Praxis bedeutet diese Entscheidung, dass bei der Vereinbarung über den Übertritt in das neue Abfertigungssystem die jeweiligen Absichten der Vertragsparteien eine ausschlaggebende Rolle spielen können. Offen blieb dabei allerdings, inwieweit Arbeitnehmer beziehungsweise Arbeitgeber den Vertragspartner von sich aus über allfällige Kündigungsabsichten informieren müssen. Eine bewusst falsche Information des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers über eine angeblich nicht bestehende Kündigungsabsicht ist jedenfalls unzulässig und macht den Vertrag gerichtlich anfechtbar.