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Übrig bleibt nur Kaczynski-Partei

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Premier steht nun Minderheitsregierung vor. | Auch PiS für vorgezogene Neuwahl. | Warschau. Aus der Urlaubsruhe ist heuer nichts geworden. Polens Staatspräsident Lech Kaczynski musste einmal mehr seine Sommerresidenz an der Ostsee verlassen und nach Warschau fahren. Schon in der Vorwoche hatte er einen neuen Innenminister zu vereidigen. Und nun hat sein Zwillingsbruder, Premier Jaroslaw Kaczynski, von weiteren Ministern Abschied genommen. Auch denen musste der Präsident die Entlassungsurkunden übergeben.


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Nach etwas mehr als einem Jahr ist Polens rechtskonservative Dreier-Koalition zerbrochen. Umstritten war das Bündnis zwischen Kaczynskis PiS (Recht und Gerechtigkeit), der radikalen Samoobrona (Selbstverteidigung) und der rechtsnationalistischen Liga der Polnischen Familien (LPR) von Anfang an. Und spätestens seit Samoobrona-Vorsitzender Andrzej Lepper vor einem Monat wegen Korruptionsvorwürfen seinen Posten als Vizepremier und Landwirtschaftsminister räumen musste, waren die Risse in der Koalition nicht mehr zu kitten.

Am Samstag beschloss denn auch PiS, dass eine vorgezogene Parlamentswahl der Ausweg aus der Krise sei. Kurz darauf entließ Premier Kaczynski seinen Stellvertreter, LPR-Vorsitzenden und Unterrichtsminister Roman Giertych sowie einen weiteren LPR-Minister. Auch die zwei Kabinettsmitglieder der Samoobrona mussten gehen. Die beiden Parteien revanchierten sich mit dem Einbringen eines Misstrauensantrags gegen die Regierung im Parlament.

Drei der neuen Minister sind nominell parteilose Experten, wie der Unterrichtsminister und Philosophie-Professor Ryszard Legutko. Arbeitsministerin ist die bisherige Vizeministerin für regionale Entwicklung, Joanna Kluzik-Rostkowska.

Selbstauflösung offen

Als möglicher Termin für einen Urnengang wird Ende Oktober genannt. Doch zunächst müsste das Parlament für seine Selbstauflösung stimmen. Ob sich im Sejm die dafür notwendige Zweidrittelmehrheit findet, ist freilich offen. Am 22. August kommen die Abgeordneten zusammen.

Das Image der Zwillinge, die vor knapp zwei Jahren die Parlaments- und Präsidentenwahlen gewonnen hatten, hat jedenfalls gelitten. Die Kaczynskis haben einen radikalen Umbau des Staates angekündigt. Aus der Aufarbeitung der sozialistischen Vergangenheit ist aber eine politisch instrumentalisierte Jagd nach Agenten geworden. Die Bekämpfung der Korruption endete in gegenseitigen Beschuldigungen der Politiker, bestechlich, verleumderisch oder intrigant zu sein.

Laut einer aktuellen Umfrage bewerten mehr als die Hälfte der Polen die Tätigkeit des Präsidenten als schlecht. Die Arbeit des Parlaments kritisieren gar fast drei von vier.