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Uganda Ges.m.b.H

Von WZ-Korrespondentin Simone Schlindwein

Politik

Präsident Museveni stand einst für Veränderung. Nun fordert ihn bei den Wahlen sein einstiger Weggefährte heraus.


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Kampala. Jacqueline Mbabazi führt den Wahlkampf von ihrem Krankenbett aus. Geschwächt sitzt die 61-Jährige im Sessel auf der Veranda ihrer Luxusvilla in Ugandas Hauptstadt Kampala. Während ihr Mann Amama Mbabazi durch die Dörfer zieht, um im Wahlkampf Präsident Yoweri Museveni herauszufordern, kämpft sie ums Überleben. Sie zeigt auf ihre schwarz verfärbten Hände. Sie ist todkrank: Darmkrebs lautete die Diagnose der Ärzte in London. Sie vermutet, sie wurde vergiftet, mit Plutonium - "von Ugandas Präsident Museveni höchstpersönlich", sagt sie und berichtet von ihrer letzten Begegnung mit dem Präsidenten, als dieser ihr angeblich zwei Kapseln in einem Sandwich unterschob.

"Jacky", wie sie von allen genannt wird, ist die Strategin in einem Machtkampf zwischen zwei der mächtigsten Familien Ugandas, der das Land vor den Wahlen am 18. Februar zerreißt. Es ist ein Kampf zweier alter Weggefährten und er wird daher so erbittert und gnadenlos geführt wie ein Nachbarschaftsstreit. Eine Seifenoper mit Starbesetzung. "Unsere Familien sind sich einmal so nah gestanden - 42 Jahre lang", beginnt Jacky Mbabazi zu erzählen. Sie zeigt in den Garten: Da tollte Musevenis ältester Sohn Muhoozi Keinerugaba, heute 41 Jahre alt, als kleinen Knirps herum. Sie sei ihm wie eine Tante gewesen, ihre Kinder hätten gemeinsam gespielt. Jetzt sind die beiden Familien bis auf den Tod verfeindet: "Es ist unsäglich, was Museveni mir und meiner Familie in jüngster Zeit angetan hat", klagt sie. Was Inszenierung ist und was Realität, ist manchmal schwer zu durchschauen.

Der Alte mit dem Hut

Die Menge jubelt, als sich der Geländewagen einen Weg durch die Menschenmasse bahnt. Staatsoberhaupt Museveni und seine Frau Janet winken aus dem offenen Autodach. Beide sind gekleidet in Knallgelb, der Farbe ihrer Partei NRM (Nationale Widerstandsbewegung), beide tragen große Hüte - das Symbol ihrer Macht. "Der alte Mann mit dem Hut" wird Museveni deshalb genannt. Der 71-Jährige mimt gern den Großvater der Nation, ja der ganzen Region. 1986 war er der erste Guerillaführer Afrikas, der mit der Waffe in der Hand die Macht ergriff, an der Spitze der Rebellenarmee NRA. Er wollte korrupte Politiker hinwegfegen, das Land neu aufbauen ohne Tribalismus, Afrika vereinen. Museveni stand Modell für viele afrikanische Befreiungskämpfer.

Sie beobachten jetzt alle gebannt, ob es ihm am kommenden Donnerstag gelingt, sein bröckelndes Erbe zu retten. Das macht diese Wahl weit über Ugandas Grenzen hinaus bedeutsam. Museveni ist jetzt 30 Jahre an der Macht, vier von fünf Ugandern haben nie einen anderen Präsidenten erlebt - für sie herrscht Stillstand.

Jugendliche, Frauen, Kinder, Alte, sie alle haben im Dorf Kakindu auf dem Fußballplatz in der Äquatorsonne ausgeharrt. Dass der Präsident hier vorbeischaut, ist für sie ein Highlight. Hierhin führt nicht einmal eine Straße, Museveni kam mit dem Hubschrauber. Als sein Geländewagen anhält und das Präsidentenpaar aussteigt, salutieren Soldaten. Sie gehören zu Ugandas Spezialeinheit, die von Musevenis Sohn Mohoozi kommandiert werden. Die First Lady geht langsam, ihre Beine sind geschwollen, die Füße stecken in weißen Adidas-Turnschuhen. Museveni ist mittlerweile 71, Janet 67 Jahre. Nur auf den Wahlplakaten wirken sie jung wie vor 30 Jahren. Doch in Rente zu gehen, das kommt ihm gar nicht in den Sinn. "Ich kann jetzt noch nicht gehen, da all das, was wir gepflanzt haben, gerade erst Früchte trägt", erklärt er und versichert: "Ich werde abtreten, sobald Ostafrika vereint ist" - natürlich unter ihm. Dann verspricht er eine geteerte Straße, eine Oberschule, Wasser und Strom. Täglich besucht er drei bis vier Dörfer, landauf landab, um sich jede Stimme zu sichern. Denn noch nie hatte er einen so starken Herausforderer.

Kampf der Giganten

John Patrick Amama Mbabazi, kurz JPAM genannt, ist Ugandas Nummer zwei. Bis 2014 war er Premierminister, ein Insider des Regimes, der jedes Geheimnis kennt. Er war Chef des Auslandsgeheimdienstes, Justizminister, Verteidigungsminister, Sicherheitsminister und nach den letzten Wahlen 2011 Ministerpräsident. Nebenher hielt er die Stelle als NRM-Generalsekretär. Frau Jacky berichtet von einem Versprechen Musevenis gegenüber ihrem Mann, die Macht an ihn zu übergeben. Doch dann ließ sich Museveni 2014 doch wieder als NRM-Spitzenkandidat aufstellen - der Schlüsselmoment für die Mbabazis, mit Museveni zu brechen. Ehefrau Jacqueline beschuldigte den Präsidenten vor versammelten Genossen der Diktatur. "Danach bin ich nach Hause gegangen und habe meinen Mann aufgefordert, gegen Museveni anzutreten - sonst hätte ich es selbst getan", donnert sie. Seitdem tourt auch Ehemann Mbabazi mit seinem Konvoi durch die Dörfer. "Ich musste feststellen, mein älterer Bruder hat ein Ein-Mann-Regime errichtet", tönt er.

"Vorwärts!" hat er seine Bewegung getauft, nachdem er die NRM verlassen musste. Einige Parteigenossen haben sich ihm angeschlossen. Die NRM ist gespalten.

Die beiden Familien kennen sich seit den 1970er Jahren, aus den Zeiten der Opposition gegen Ugandas Diktator Idi Amin. Museveni wurde Rebellenführer, Mbabazi rekrutierte Widerständler, sie wurden zu engen Gefährten. Als der Buschkrieg 1981 ausbrach, flohen die Familien zuerst nach Kenia, dann nach Schweden. Doch während ihre Männer im ugandischen Busch eine Revolution anzettelten, wurden die beiden Frauen nie warm miteinander. "Während ich Biotechnologie studierte, las Janet Museveni die Bibel", erinnert sich Jacqueline an die Zeit im schwedischen Exil. Beide beanspruchten nach ihrer Rückkehr 1987 in das vom Krieg zerstörte Uganda, die wichtigste weibliche Führungsfigur zu sein. Sie wollten beweisen: Die NRA hat nicht nur das Land, sondern auch die Frauen "befreit". Seitdem ist Politik nicht mehr nur Männersache, sondern Familienangelegenheit. Während sich Janet Museveni im State House einrichtete, wurde Jacqueline zu einer der wichtigsten Managerinnen in Uganda. Sie stampfte die staatliche Rüstungsschmiede NEC aus dem Boden, dann gründete sie Ugandas Steuerbehörde. 2010 wurde sie Vorsitzende der NRM-Frauenliga, als deren Generalsekretär ihr Mann fungierte.

Janet Museveni ließ sich 2006 ins Parlament wählen und wurde 2011 Ministerin für Karamoja, eine instabile Region im Nord-Osten des Landes. An diesem Beispiel wird deutlich, wie Musevenis Familienpolitik funktioniert: Vater Museveni entsandte die Elitetruppen des Sohnes Muhoozi, um die Viehhirten zu entwaffnen, die einander im Streit um Rinderherden bekriegten. Kaum war es in Karamoja ruhig, kam Musevenis Halbbruder ins Spiel: Er riss sich die die Konzessionen für die Goldvorkommen unter den Nagel. Heute gilt er als größter Privatunternehmer Ugandas.

"Eigentlich sollte die Partei den Präsidenten führen", sagt Jacqueline. Sie ist Marxistin, ihre Kinder, die heute mit dem Vater den Wahlkampf bestreiten, taufte sie ihre nach Revolutionären wie Lenin, Mao und Ché Guevara. Die Partei - das war ihr Mann als NRM-Generalsekretär und sie an der Spitze der NRM-Frauenliga, in der sich auch ihre Schwestern engagierten. Familienpolitik auf beiden Seiten eben.

Musevenis Amtssitz ist mittlerweile ein Familienpalast. Ursprünglich errichtet unter britischer Kolonialherrschaft, war das "State House" einst eine unscheinbare Villa an den Ufern des Victoriasees in Entebbe, einer Kleinstadt 40 Kilometer südlich von Kampala. Als 2007 zum Commonwealth-Gipfel die Queen kam, ließ Museveni das Gebäude ausbauen. Die Außenfassade erinnert jetzt an das Weiße Haus in Washington. Dementsprechend hat sich auch die Institution vergrößert. Wer durch die langen Flure irrt, der wird das Gefühl nicht los, dass mittlerweile der ganze Familienclan in der gewaltigen Trutzburg Einzug gehalten hat. Miriam Karugaba, Musevenis Schwester, verwaltet den Amtssitz. Ihr Ehemann Jimmy Karugaba ist für die Finanzen und Konten der Präsidentschaft zuständig. Musevenis Tochter Natasha Karugire agiert als seine Privatsekretärin.

Symbolträchtig liegt unterhalb des Anwesens das Hauptquartier der Spezialkräfte, die für den Schutz des Präsidenten zuständig sind. Sie gelten als eine der besten Elitetruppen Afrikas. Unter Muhoozis Kommando kämpfen Ugandas Soldaten gegen Islamisten in Somalia, jagen in der Zentralafrikanischen Republik den flüchtigen Rebellenführer Joseph Kony und verteidigen im Nachbarland Südsudan Musevenis Schützling Präsident Salva Kiir.

Sein eigener Feind

Der eher zurückhaltende und bedächtige 41-jährige Museveni-Spross garantiert die Großmachtpolitik seines Vaters von der Türschwelle bis weit über die Landesgrenzen hinaus. Er ist noch dazu mit der Tochter von Außenminister Sam Kutesa verheiratet. Somit sind auch Ugandas Verteidigungs- und Außenbeziehungen Familiensache. "Es ist unvorstellbar, dass Muhoozi einmal einen anderen Präsidenten beschützt als seinen Vater", bringt es Patrick Mwambutsya-Ndebesa auf den Punkt. Ugandas führender Historiker hat sich ausführlich mit Musevenis Macht- und Personalpolitik beschäftigt. Sein Fazit: "Er hat sämtliche Institutionen personalisiert - ein gewaltiges Patronagesystem errichtet, das ganz allein auf ihn zugeschnitten ist", so der Professor von Ugandas Makerere-Universität. "Wenn der Museveni von 1986 dem Museveni von 2016 begegnen würde", so der Historiker, "dann würden sie sich den Krieg erklären."