Österreich ist klein und kompliziert, was die Politik für ihre Interessen nutzt. Corona zeigt das nun ganz offen den Bürgern.
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Am Freitag schlug die Gewerkschaft der Pflichtschullehrer Alarm: Die Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie brächten das (von der Datenwust unzähliger Bildungsstudien prall gefüllte) Bürokratiefass an den Schulen endgültig zum Überlaufen und offenbarten, dass die verschiedenen Ebenen des Bildungssystems - Ministerium, Bildungsdirektionen, Schulen - allenfalls im Normalbetrieb leidlich ineinandergreifen, nicht jedoch in Krisen. Ursachen und Verantwortung dafür sind vielfältig, aber der Befund stimmt.
Im Frühjahr, zu Beginn der Pandemie, wurde offenbar, dass den verantwortlichen Stellen der notwendige Überblick über kritische Kennzahlen des Gesundheitswesens fehlte. Wesentliche Parameter für ein erfolgreiches Krisenmanagement, wie die Zahl verfügbarer Intensivbetten und Beatmungsgeräte oder die Vorräte an Schutzbekleidung, waren nicht sofort verfügbar.
Die Schwierigkeiten, das gesamte Gesundheitssystem in einer Krise zu mobilisieren, sind bis heute nicht wirklich im Griff: Die Rolle der Hausärzte in der Pandemie ist bis heute eine Baustelle. Manche der freiberuflichen, aber mit Kassenvertrag ausgestatten Allgemeinmediziner hielten ihre Ordinationen aus Angst vor einer Ansteckungskette geschlossen, nicht alle standen via Video ihren Patienten zur Seite. Auch jetzt, auch vor dem Hintergrund der kommenden Grippewelle, wo es darum geht, die Hausärzte in die Teststrategie miteinzubeziehen, gibt es viele Bedenken statt einer Kraftanstrengung des gesamten Gesundheitswesens.
Die Liste der staatlichen Kooperations- und Koordinationsmängel ließe sich noch um etliche Punkte erweitern. Manche Schwierigkeit ist dabei der Größe der Herausforderung geschuldet. Den Staat, der diese Krise ohne Fehl’ und Tadel gemanagt hat, gibt es nicht. Trotzdem hat die Corona-Krise bis heute nicht aufgehört, wie ein Brennglas die strukturellen Schwächen von Politik und Verwaltung (und auch die der Menschen) ins Visier zu nehmen.
Getreu dem heimischen Reflex wird dafür allgemein, und vor allem in Wien, der Föderalismus verantwortlich gemacht. Das ist deutlich zu kurz gedacht. Das Problem Österreichs ist, dass es sich nicht dazu entschließen kann, seinen Körperschaften wirkliche Verantwortung zuzutrauen und zuzumuten - nach klaren Spielregeln, mit maximaler Transparenz und höchsten Leistungsansprüchen. Doch stattdessen führen wir nun zum gefühlt hundertsten Mal die Debatte, warum Bezirksgrenzen eine Rolle spielen und nicht funktional zusammenhängende Wirtschafts- und Lebensräume.