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Ukraine gerät unter Druck

Von Gerhard Lechner

Politik

Einreiseverbote und Kontosperren | "bei fortgesetzter staatlicher Gewalt".


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Kiew/Brüssel. Der Westen erhöht den Druck auf die Regierung in der Ukraine: Wie die Internetseite "EU Observer" am Montag berichtete, bereiten die USA offenbar Sanktionen gegen Mitglieder der Regierung von Ministerpräsident Mykola Asarow vor. Im Fokus der Kritik der Amerikaner steht dabei Innenminister Vitali Sachartschenko. Er soll eine Liste von 10 bis 20 Namen von ukrainischen Offiziellen anführen, denen US-Sanktionen angedroht werden - im Falle von erneuter Gewaltanwendung gegen die prowestlichen Demonstranten. Die Maßnahmen sollen von Einreiseverboten bis hin zum Einfrieren von Konten reichen. Sachartschenko zeichnet für den brutalen Polizeieinsatz gegen Demonstranten Ende November in Kiew verantwortlich. Demokratische und republikanische US-Senatoren und Politiker im Kongress hatten bereits vorige Woche "bei fortgesetzter staatlicher Gewalt gegen friedliche Demonstranten" Sanktionen gegen ukrainische Politiker gefordert.

Damit schwenken die USA im Umgang mit der Ukraine offenbar auf einen härteren Kurs ein, der dem gegen das autoritäre Regime in Weißrussland ähnelt. Dort haben USA und EU seit den Ausschreitungen rund um die umstrittene Wiederwahl von Alexander Lukaschenko zum Präsidenten im Dezember 2010 stets die Daumenschrauben angezogen. Gegen Lukaschenko und eine Reihe weiterer Weißrussen wurden Einreiseverbote ausgesprochen, Konten wurden eingefroren. Im Ergebnis wandte sich das zwischen der EU und Russland gelegene Weißrussland noch stärker dem russischen Bruder zu.

Solch einen Effekt fürchten auch zahlreiche Politiker in der EU, zu denen auch Erweiterungskommissar Stefan Füle gehören soll. Laut einer anonymen Quelle des "EU Observer" würde der ukrainische Chefverhandler, Vizepremier Serhij Arbusow, in Brüssel immer noch offene Tore vorfinden - sofern es "ein klares Signal" von Präsident Wiktor Janukowitsch gebe, an dem Assoziierungsabkommen mit Brüssel ernsthaft interessiert zu sein. Obwohl in Brüssel manche davon sprechen, dass Verhandlungen mit ukrainischen Offiziellen "ein Verrat am Euromaidan", also an der proeuropäischen Protestbewegung wären, sagte die Quelle des "EU Observer": "Niemand diskutiert EU-Sanktionen, mit Ausnahme der ukrainischen Opposition."

Opposition will Sanktionen

Tatsächlich forderten ukrainische Oppositionelle nach der erneuten Gewalt in Kiew scharfe Sanktionen des Westens. Arseni Jazenjuk von der oppositionellen Timoschenko-Partei "Vaterland" hat den Westen unter anderem zu Sanktionen gegen Innenminister Sachartschenko aufgefordert. Dieser habe mit der Gewaltanwendung gegen die Demonstranten die ukrainische Verfassung verletzt. Sein Bündnispartner Vitali Klitschko, Chef der Partei "Udar" (Schlag), schrieb in einem Gastbeitrag für die deutsche "Bild"-Zeitung: "Es reicht nicht mehr, aus der Ferne die Gewalt und die mangelnde Rechtsstaatlichkeit zu verurteilen. Wir brauchen sofort internationale Maßnahmen gegen Janukowitsch und seine korrupte und kriminelle Regierung." Man könne mit der Sperrung von Janukowitschs internationalen Bankkonten beginnen. "Ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht so viel Blut gesehen wie bei den Angriffen der Polizei am Samstag", sagte der Boxer.

Ob das die Protestbewegung gegen Janukowitsch nochmals anfachen kann, ist freilich fraglich. Zwar hatten die Zusammenstöße am Samstag, bei denen auch der oppositionelle Ex-Innenminister Juri Luzenko am Kopf verletzt worden war, nochmals Aufmerksamkeit erregt und etwa 50.000 Menschen auf die Straße getrieben. Dennoch scheint es dem Präsidenten gelungen zu sein, seine Gegner ins Leere laufen zu lassen. Nach den umstrittenen Polizeieinsätzen Ende November, die Hunderttausende gegen Janukowitsch mobilisierten, hielt sich die Staatsmacht zurück. Auch Vitali Klitschko scheint ein bisschen ratlos nach einer Strategie zu suchen: "Was sind die nächsten Schritte?", fragte er die Menge am Sonntag. "Wir werden kämpfen und friedlich protestieren."