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Ukraine in die Efta

Von Stefan Brocza

Gastkommentare
Stefan Brocza ist Experte für Europarecht und Internationale Beziehungen; er lehrt an den Universitäten Wien und Salzburg.

Die Europäische Union ist für die Lösung der Krim-Krise weder geeignet noch berufen. Sie sendet mit dem am Freitag unterzeichneten Rumpfabkommen mit der Ukraine das falsche Signal zur falschen Zeit.


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Das am Freitag in Brüssel unterzeichnete Rumpfabkommen der EU mit der Ukraine ist ein Fehler. Nicht nur, dass die EU ein denkbar falsches Forum für die aktuelle Krim-Krise ist. Auch die Unterschrift unter den politischen Teil des nicht zustande gekommenen Assoziierungsabkommens vom Herbst (um nichts anderes handelt es sich beim am Freitag vereinbarten Text) ist das falsche Signal zur falschen Zeit.

Erstaunlicherweise halten sich die eigentlich zuständigen internationalen Organisationen zurück. Natürlich wäre primär der UNO-Sicherheitsrat zu befassen. Für Europa liegen die einschlägigen Kompetenzen bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) in Wien beziehungsweise beim Europarat in Straßburg. Alle drei Organisationen - UNO, OSZE und Europarat - hätten auch den unbestreitbaren Vorteil, dass die betroffen Parteien Ukraine und Russland Mitglieder wären. Man könnte die Situation also quasi mit den Betroffenen gemeinsam angehen.

Aber statt die Untätigkeit dieser Organisationen zu kritisieren, bemängelt die politische Öffentlichkeit wieder einmal die EU. Brüssel ist schuld. Zu wenig, zu spät, zu unentschlossen. Was auch immer. Die EU war’s. Nur warum es ausgerechnet Brüssel richten soll (und kann), das erklärt niemand. Objektiv gesehen ist die EU für die Krim-Krise weder geeignet noch berufen. Die beiden Hauptakteure Ukraine und Russland sind keine EU-Mitglieder. Die EU hat keine Zuständigkeit für diesen Bereich. Warum soll ausgerechnet sie den Gordischen Knoten lösen können?

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben mit ihren Unterschriften unter das Abkommen vom Freitag einen Fehler gemacht. Die EU hat sich damit eine Rolle aufzwingen lassen. Die in der Ukraine geweckten Hoffnungen (man denke nur an die Mär eines baldigen EU-Beitritts) können nicht eingelöst werden. Gegenüber Russland ist es das falsche Signal zur falschen Zeit.

In der Zeit des Kalten Krieges - ein Begriff, der wieder vermehrt bemüht wird - gab es eine smarte Lösung für Staaten, die der EG nicht beitreten konnten oder wollten, aber gleichzeitig unzweifelhaft ihre wirtschaftliche Bindung an den Westen zeigen wollten: Die Efta (Europäische Freihandelszone) verfügt über weitreichende Wirtschaftsabkommen mit der EU, und Efta-Staaten können über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) voll am EU-Binnenmarkt teilnehmen. Auch Österreich ist einmal den Weg über Efta und EWR in die EU gegangen. Das Schöne daran ist: Es besteht kein Automatismus. Von den verbliebenen vier Efta-Staaten nehmen aktuell drei am EWR teil (Liechtenstein, Norwegen, Island), die Schweiz geht bekanntlich ihren eigenen Weg. Keiner wird in absehbarer Zeit EU-Mitglied.

Vielleicht sollte man darüber nachdenken, die Efta als EU-Heranführungsinstrument (ohne Beitrittsautomatismus!) wiederzubeleben. Denn ein EU-Beitritt der Ukraine ist für die nächsten Jahrzehnte politisch und wirtschaftlich ausgeschlossen.