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Ukraine-Konflikt: USA wollen keinen Krieg mit Moskau

Von Gerhard Lechner

Politik
US-Außenminister Blinken wird bei seinem Kiew-Besuch am Mittwoch und Donnerstag der Ukraine den Rücken stärken.
© reuters / Ben Stansall

Die USA unterstützen Kiew gegen den Kreml. US-Außenminister Antony Blinken ist auf diplomatischer Mission und besucht heute Mittwoch für zwei Tage die Ukraine.


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Gute Freunde dürften Joe Biden und Wladimir Putin in diesem Leben nicht mehr werden. Zu unüberbrückbar ist der Gegensatz zwischen dem linksliberalen US-Präsidenten und seinem geopolitischen Kontrahenten, dem Ex-KGB-Mann im Moskauer Kreml. Der soll, jedenfalls laut den US-Demokraten, mehrfach in die US-Wahlen zugunsten von Bidens republikanischem Vorgänger Donald Trump eingegriffen haben. Russische Auslandsmedien haben sich im letzten US-Wahlkampf eindeutig auf die Seite Trumps geschlagen. Umgekehrt hatte Biden in einem Interview die Frage, ob er Putin für einen "Killer" halte, bejaht - die wenig diplomatische Aussage verschlechterte die angespannten Beziehungen zwischen Moskau und Washington zusätzlich.

Stachel im Fleisch Moskaus

Einen zentralen Zankapfel zwischen den beiden Gegnerstaaten des Kalten Krieges bildet die Ukraine. Die an Russland angrenzende ehemalige Sowjetrepublik, in der in weiten Teilen des Landes Russisch gesprochen wird, ist für den Kreml immer noch von zentraler Bedeutung - obwohl Moskaus Einflussmöglichkeiten auf die Entwicklungen in Kiew spätestens seit der Revolution auf dem Maidan, der von Russland betriebenen Krim-Annexion und dem Krieg im Donbass stark geschwunden sind.

Verantwortlich dafür macht man in Moskau weniger das eigene Verhalten als das der USA. Diese hatten schon die Orange Revolution in Kiew im Jahr 2004 maßgeblich unterstützt und auch auf die Ereignisse nach dem Euromaidan stark Einfluss genommen. Der Abfall der Ukraine ist für den Kreml ein Stachel im Fleisch.

"Unerschütterliche Unterstützung"

Dementsprechend misstrauisch wird man in Moskau auch heute Mittwoch wieder nach Kiew blicken, wenn US-Außenminister Antony Blinken für zwei Tage die Ukraine besucht. Der amerikanische Chefdiplomat trifft unter anderem Präsident Wolodymyr Selenskyj und seinen Amtskollegen Dmytro Kuleba. Hauptzweck des Besuchs sei es, so hieß es im Vorfeld, "die unerschütterliche Unterstützung der USA für die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine angesichts der anhaltenden Aggression Russlands zu bekräftigen".

Moskau hatte in den vergangenen Wochen über 100.000 Soldaten an den Grenzen der Krim und des Donbass stationiert. Damit hatte man in Kiew und im westlichen Lager für Nervosität gesorgt. Befürchtungen, ein neuer großer Krieg stünde vor der Tür, kamen auf. Letztlich gab es aber Entwarnung - der Kreml zog seine Truppen nach wochenlangem Säbelrasseln wieder ab.

 

Es geht um die Glaubwürdigkeit

Für die USA steht in Kiew vor allem die eigene Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. "Die Reise hat eine wichtige symbolische Bedeutung. Die Biden-Administration will zeigen: Die Ära Trump ist vorbei, die USA stehen wieder zu ihrem Wort und unterstützen ihre Verbündeten", meint Osteuropa-Experte Alexander Dubowy im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Das Biden-Amerika verstehe sich wieder als "der freundliche Hegemon, der die multilaterale, regelbasierte Ordnung gegenüber Herausforderern verteidigt".

Neben dem Hauptgegner China gilt vor allem die Nuklearmacht Russland als ein solcher Herausforderer - noch dazu als ein schwer berechenbarer. Entsprechend robust treten die USA gegenüber dem Kreml in der Ukraine auf: So beschloss das Pentagon im März, Waffen im Wert von 125 Millionen Dollar in die Ukraine zu schicken.

 

Kein Kampf an Kiews Seite

"Solche Waffenlieferungen könnte es in Zukunft häufiger geben, ebenso wie Manöver ukrainischer Soldaten mit Nato-Streitkräften. Auch eine Präsenz von US-Schiffen im Schwarzen Meer ist wahrscheinlich", sagt der Politologe Gerhard Mangott der "Wiener Zeitung".

Eines schließt der Russland-Experte aber aus: Dass Nato-Soldaten der Ukraine in einem Krieg mit Moskau zur Seite stehen. Zwar seien bereits US-Militärberater im Land. Auch mache es für die USA Sinn, den Gegner Russland durch eine Anbindung der Ukraine an den Westen zu schwächen. An der Seite Kiews kämpfen werde man aber nicht.

Blamage der Nato möglich

Dieser Ansicht ist auch Dubowy. Der Wunsch der Ukraine nach einem Nato-Beitritt werde nicht erfüllt werden. Aufgrund der kriegerischen Konflikte auf eigenem Territorium bleibe Kiew ein Beitritt derzeit rechtlich ohnedies verwehrt. "Außerdem wollen Nato-Staaten wie Frankreich, Deutschland oder Italien keinen militärischen Konflikt mit Moskau riskieren." Den könnte Russland nämlich durchaus für sich entscheiden: "Bei einem Angriff aufs Baltikum etwa weiß man nicht, wie schnell und ob überhaupt die Nato-Staaten kampfbereit wären", analysiert Dubowy. Die Verpflichtung der Nato-Staaten zur Kooperation müsse nicht militärisch ausgelegt werden. Eine Blamage der Nato wäre also möglich - die will man im Westen nicht riskieren.