Kurz vor seinem Antrittsbesuch in Russland hat der ukrainische Präsident Wiktor Juschtschenko Julia Timoschenko zur Ministerpräsidentin ernannt. Die Berufung der ehemaligen Unternehmerin könnte neuerlich Verstimmungen zwischen Kiew und Moskau auslösen. Den Platz der Ukraine sieht Juschtschenko ohnehin in der EU - auch wenn er Russland als "ewigen strategischen Partner" bezeichnet.
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In der Rede nach seiner Vereidigung erwähnte er Russland nicht. Dafür pochte der neue ukrainische Präsident Wiktor Juschtschenko auf einen Platz seines Landes in der EU. "Unser Weg in die Zukunft ist der Weg eines vereinigten Europa. Zusammen mit den Völkern Europas gehören wir zu ein und derselben Zivilisation. Wir bekennen uns zu denselben Werten", erklärte Juschtschenko am Sonntag in Kiew.
Dennoch führte sein erster Besuch den neuen Präsidenten nach Moskau, das von den EU-Ambitionen des Nachbarstaates irritiert ist. Die Linie des ehemaligen Präsidenten kam Russlands Plänen schon näher: Leonid Kutschma wollte die Ukraine in einen Wirtschaftsraum mit Russland, Weißrussland und Kasachstan führen. Vorgesehen war unter anderem eine Angleichung von Steuern und Zöllen.
Schon während des Präsidentschaftswahlkampfs waren die Spannungen zu Tage getreten. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte Juschtschenkos Gegner Wiktor Janukowitsch persönlich durch mehrere Besuche zu helfen versucht. Nun könnte es nach der Ernennung Julia Timoschenkos zur ukrainischen Ministerpräsidentin zu weiteren Verstimmungen kommen. Gegen die Oppositionspolitikerin und ehemalige Unternehmerin, die wegen undurchsichtiger Energiegeschäfte umstritten ist, liegt in Russland ein Haftbefehl wegen Bestechung russischer Militärs vor. Zum neuen Sekretär des Sicherheitsrates ernannte Juschtschenko seinen Wahlkampfgefährten Pjotr Poroschenko.
Auf gute Nachbarschaft
Dennoch bemühten sich sowohl Juschtschenko als auch Putin, bei ihrem gestrigen Treffen, die positiven Seiten der Nachbarschaft in den Vordergrund zu rücken. "Wir zählen sehr darauf, dass die Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine sich so weiter entwickeln wie bisher", sagte Putin. "Wir haben immer gesagt, dass Russland usner ewiger strategischer Partner ist", stellte Juschtschenko fest. Beide betonten die Notwendigkeit einer engen wirtschaftlichen Zusammenarbeit ihrer Länder.
Weg nach Westen
Auch wenn die Ukraine in wirtschaftlichen Angelegenheiten eher von Moskau als von Brüssel abhängig ist, reiste Juschtschenko nach seinem Besuch in Russland gleich westwärts. In den kommenden Tagen besucht der Präsident den Europarat, das Europäische Parlament, das Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos und die Gedenkfeiern zum sechzigsten Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz. Für 10. Februar ist ein Treffen mit EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso geplant.
Doch während das EU-Parlament in einer Resolution vor zwei Wochen bereits den EU-Beitritt der Ukraine für denkbar hielt, wies die Kommission Spekulationen darüber erneut zurück. Sie setzt auf ihr neues Konzept einer Nachbarschaftspolitik, in das sie die Ukraine wie andere Nicht-Mitglieder an den EU-Außengrenzen einbeziehen und durch eine gezielte Annäherung stabilisieren will. Doch die Nachbarschaftspolitik sehe "keine Beitrittsperspektive" vor, stellte Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner klar. Gemeinsam mit dem EU-Außenbeauftragten Javier Solana schlug sie einen Zehn-Punkte-Plan für einen Ausbau der Beziehungen, von Handel bis zu Reiseerleichterungen, vor. So könnte die Europäische Investitionsbank ein Darlehen von rund 250 Millionen Euro bereit stellen.