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Präsident erhebt Einspruch gegen Parlamentsbeschluss. | Endloses Gezerre um Verfassung. | Kiew/Wien. Lange wurde darüber gemunkelt, nunmehr scheint es fix zu sein: Die Ukraine wählt früher als vorgesehen einen neuen Präsidenten. 401 der 450 Abgeordneten im Parlament in Kiew stimmten für eine Vorverlegung des für Jänner erwarteten Urnengangs: Am 25. Oktober soll die Wahl stattfinden.
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Soll. Denn obwohl die Festlegung des Wahltermins zu den Pflichten des Parlaments gehört, will Präsident Wiktor Juschtschenko den Beschluss vor dem Verfassungsgericht anfechten: Nach der neuen Fassung des Grundgesetzes würde der Wahltermin nämlich auf den 17. Jänner fallen. Juschtschenko wurde allerdings noch vor der Novelle vereidigt, deshalb besteht das Parlament auf dem Oktobertermin.
Im Gegensatz zu Premierministerin Julia Timoschenko oder Oppositionschef Wiktor Janukowitsch werden dem einstigen Hoffnungsträger der nach Europa orientierten Ukrainer bei der Wahl kaum Chancen eingeräumt. Die Proteste gegen ihn reißen nicht ab, die Zustimmung zu seiner Politik liegt konstant unter fünf Prozent. Juschtschenkos Stütze im Parlament, "Unsere Ukraine", schickte Mitte März aufgrund von Finanzproblemen ihre regionalen Funktionäre in unbezahlten Urlaub.
Der Beschluss der Parlamentarier kann auch als unmittelbare Antwort auf eine tags zuvor von Juschtschenko präsentierte Initiative angesehen werden: In seiner Jahresbotschaft an die Abgeordneten der Werchowna Rada plädierte der Präsident für eine grundlegende Verfassungsreform mit einem Zwei-Kammern-Parlament und größeren Befugnissen für Regionen und Kommunalbehörden, die nach einem Mehrheitswahlrecht gewählt werden sollten.
Zankapfel Immunität
Dass der Entwurf die Immunität der Abgeordneten der Rada beschneiden will, dürfte dort allerdings kaum auf große Zustimmung stoßen - ein Sitz im Parlament wird gerne als Schutz vor gerichtlicher Verfolgung genutzt. Umgekehrt übte Parlamentspräsident Wolodymyr Litwin Kritik am geplanten Oberhaus, wo sich "Ex-Präsidenten einnisten" würden. Juschtschenkos Entwurf sieht für ehemalige Präsidenten eine lebenslange Mitgliedschaft im Oberhaus als "Senator" vor.
Die Verfassung gilt seit dem Machtkampf zwischen Juschtschenko und seinem Rivalen Janukowitsch im Herbst 2004 als ständiger Zankapfel. Die damals im Eilverfahren beschlossene Novelle hat Kompetenzen vom Präsidenten zum Premier verlagert und gilt Beobachtern als Preis, den Juschtschenko für die Übernahme des Präsidentenamtes zu zahlen hatte. Premierministerin Timoschenko bezeichnete am Dienstag die Novelle als "großen Fehler". Es wäre besser gewesen, die Ukraine wäre eine Präsidialrepublik geblieben, sagte Timoschenko.