Krieg ohne absehbares Ende raubt Flüchtlingen den Optimismus, berichtet Helfer Heinz Wegener.
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Drei Monate war der Österreicher Heinz Wegener als Logistiker für die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen in der Ukraine, am Montag berichtete er von seinen Eindrücken: "Bedrückend" sei die Lage für die Zivilbevölkerung, die Flüchtlinge aus dem Osten der Ukraine könnten sich auch im Westen des Landes nie sicher fühlen. Dafür würden schon die regelmäßigen Luftalarme sorgen, das dauernde Hasten in die Luftschutzkeller. "Die Menschen kommen nie zur Ruhe", sagt Wegener. Derzeit sei es so, dass Flüchtlinge aus dem Osten spürbar die Hoffnung verlören, dass sie jemals wieder nach Hause zurückkehren könnten.
Wegener selbst war im westukrainischen Uzgorod an der slowakischen Grenze im Einsatz, die Bilanz lässt sich sehen: 800 Tonnen an Medikamenten, medizinischen Geräten und Basisgütern des täglichen Bedarfs hat die Hilfsorganisation ans Ziel bringen können. Wobei, wie Wegener aus erster Hand berichtet, das Transportwesen abseits der umkämpften Gebiete überraschend gut funktioniert. Auch stammen die Hilfsgüter mittlerweile zu einem großen Teil von Produzenten aus der Ukraine. Und: Inmitten des vielen Leids und der Verzweiflung gibt es in der Ukraine eine enorme Solidarität. Es sei für ihn am Anfang sogar schwierig gewesen, Menschen zu finden, die eine Bezahlung für ihre Tätigkeit akzeptiert hätten, sagt Wegener.
Ansturm auf Spitäler
Die Herausforderungen, mit denen sich Ärzte ohne Grenzen in der Ukraine konfrontiert sieht, sind jedenfalls enorm. Die Lieferketten sind gerissen, es fehlt überall an medizinischer Ausrüstung, die Spitäler stehen einem Ansturm von Verwundeten gegenüber. Hier unterstützt die Hilfsorganisation auch mit der Weitergabe von Wissen, wobei es in der Ukraine viele gut ausgebildete Ärzte gibt. Die allerdings, wie das auch etwa in Österreich der Fall ist, über wenig Erfahrung im Bereich der Kriegschirurgie und Triage verfügen.
Bei Kriegsverletzungen werde jedenfalls nicht zwischen Soldaten und Zivilisten unterschieden, erklärt Laura Leyser, Geschäftsführerin von Ärzte ohne Grenzen Österreich auf Anfrage der "Wiener Zeitung": "Soldaten gelten völkerrechtlich in dem Moment als Zivilisten, in dem sie verwundet werden", weiß Leyser. Wobei die Hilfsorganisation politisch strikt neutral sein muss, um ihrer Arbeit effektiv und ungestört nachgehen zu können.
Klar ist, dass die meisten humanitären Helfer permanent über ihre Grenzen gehen. Etwa jene, die den insgesamt 7 Millionen zumeist traumatisierten Flüchtlingen aus der Ostukraine psychologische Ersthilfe anbieten. Auch hier stellt Ärzte ohne Grenzen Trainings zur Verfügung. Wobei die selbst Helfer oft selbst Hilfe bräuchten, da sie tagtäglich mit Erzählungen konfrontiert würden, die "nur schwer zu ertragen sind", sagt Wegener.
Zahllose Kriegsversehrte
Der Krieg hat sich festgefahren, die Fronten sind verkeilt, beiden Seiten fehlen die Mittel, eine rasche Entscheidung herbeizuführen. Die Langzeitfolgen sind schon jetzt beträchtlich. Tausende Soldaten und Zivilisten sind kriegsversehrt, sie haben Arme oder Beine verloren, sitzen im Rollstuhl und warten auf Prothesen, die es nicht gibt. Ein Drittel der an den Kämpfen beteiligten Soldaten und eine nicht bezifferbare Anzahl an Zivilisten haben eine Posttraumatische Belastungsstörung entwickelt und bräuchten Hilfe. Ob und wann sie diese bekommen, ist nicht klar. Die Fronten gehen quer durch Wohngebiete. Helfer, die sich hierher wagen, gehen ein gewaltiges Risiko ein.