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Ukrainischer Oligarch in Wien verhaftet

Von Ines Scholz

Politik

USA werfen Unternehmer vor, Teil einer kriminellen Vereinigung zu sein.


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Wien/Kiew/Washington. Das FBI ermittelte bereits seit Jahren gegen ihn, dennoch konnte Dmitrij Firtasch- jedenfalls innerhalb Europas - weiter unbehelligt seinen Geschäften nachgehen. Bis Mittwochabend: Da klickten für den ukrainischen Oligarchen in Wien aufgrund eines Rechtshilfeersuchens der USA
überraschend die Handschellen.

Am Einsatz beteiligt waren, wie am Donnerstag bekannt wurde, Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) und der Sondereinsatzgruppe Cobra. Der Zugriff erfolgte auf offener Straße und ohne Zwischenfälle; Firtasch, der von Leibwächtern umgeben war, ließ sich in der Schwindgasse unweit von seinem Firmensitz im Bezirk Wieden, wo er auch polizeilich gemeldet sein soll, widerstandslos festnehmen.

Die US-Behörden werfen dem Unternehmer im Zusammenhang mit Auslandsgeschäften Bestechung und Bildung einer kriminellen Vereinigung vor. Gegen ihn werde dort seit 2006 ermittelt, erklärte BKA-Sprecher Mario Hejl. Die Verhaftung habe nichts mit den aktuellen politischen Umstürzen in der Ukraine zu tun, beeilte sich der Sprecher hinzuzufügen - was aber zu bezweifeln ist. Die Festnahme sei "ein deutliches Signal an Russland, dass der Westen bereit ist, den Weg der Sanktionen weiter zu beschreiten, bis Russland bei der Krim ... einen Schritt zurück macht", sagte etwa Timothy Ash von der Standard Bank.

Firtasch, ein enger Gefolgsmann des gestürzten Präsidenten Wiktor Janukowitsch, steht seit kurzem auf der US-Liste jener Ukrainer, die mit einem Einreiseverbot belegt wurden. Anlass könnten Firtaschs zwielichtige Finanzgeschäfte mit dem Moskauer Machtzirkel um Wladimir Putin rund im Rahmen von RosUkrEnergo sein. Firtasch hielt an dem ukrainischen Gas-Zwischenhändlerknapp 50 Prozent, die restlichen Anteile gehörten dem staatlichen russischen Gazprom-Konzern, der 30 Prozent des russischen BIP erwirtschaftet. Über RosUkrEnergo sollen, wie der Ostmafia-Experte Jürgen Roth in seinem Buch "Gazprom - das unheimliche Imperium" detailreich ausführte, Milliarden Dollar illegal abgezweigt und auf Offshore-Konten der russischen Machtelite transferiert worden sein. Immer wieder gab es Gerüchte, dass auch der Kreml selbst profitiert haben könnte. Der internationale Haftbefehl gegen Firtasch könnte jedenfalls ein Indiz sein, dass die USA das Geschäftsgebaren von Gesellschaft RosUkrEnergo als Antwort auf den russischen Einmarsch auf der Krim näher unter die Lupe nehmen werden.

Mit RosUkrEnergo gute Geschäfte machte auch die Raiffeisen. Die Bank fungierte für den Gas-Zwischenhändler jahrelang als Treuhänder - bis Anfang 2009die damalige Regierungschefin Julia Timoschenko RosUkrEnergo das Monopol entriss und sich Firtasch damit zum Erzfeind machte. Dem lukrativen Gasgeschäft hat der Ukrainer zu verdanken, dass er zu einem der reichsten Männer seines Landes aufstieg. Inzwischen hat er auch ein mächtiges Medienimperium aufgebaut.

Über der Hintergründe der Verhaftung gaben sich sowohl das Landesgericht für Strafsachen Wien als auch das Bundeskriminalamt auf Anfrage der "Wiener Zeitung" zugeknöpft. Mitgeteilt wurde nur, dass der Haftrichter bis heute, Freitag, 23.15 Uhr, über einen Haftbefehl entscheiden muss. Und dass in Österreich keine Ermittlungen gegen ihn laufen. Dabei steuert der 48-Jährige, dessen Vermögen auf 3,32 Milliarden Dollar geschätzt wird, viele seiner - laut Kiews Übergangsregierung nicht immer lupenreinen - Geschäfte von Österreich aus. So hat, wie die "Wiener Zeitung" kürzlich berichtete, die ihm - über die 2007 gegründete Wiener Group DF International GmbH - zugerechnete Firma Centragas laut jüngster verfügbarer Bilanz Beteiligungen im Wert von 305 Millionen Euro. Auch hinter der hier ansässigen Ostchem Holding GmbH wird Firtasch vermutet.Begonnen hatte der im westukrainischen Ternopil geborene Tycoon in den 1990er Jahren seine Karriere mit dem Handel von Gebrauchtwagen - dabei soll er auch eng mit dem russischen Mafiaboss Semjan Mogilewitsch zusammengearbeitet haben. Firtaschs Name tauchte auch in "Offshore Leaks" auf - als einer der maßgeblichen "Osteuropa-Connections", die von Österreich aus steuerschonend Geld in Briefkastenfirmen parken.