Zum Hauptinhalt springen

Ultimatum von Guatemalas Syphilis-Opfern

Von Georg Friesenbichler

Politik

USA infizierten Soldaten, Häftlinge und Geisteskranke. | Rechtsstreit um Experimente vor mehr als 60 Jahren. | Parallele zu Fall in Alabama. | Guatemala-City. Das Ultimatum läuft bis Freitag dieser Woche. Wenn dann die US-Regierung das Angebot eines außergerichtlichen Ausgleichs nicht annimmt, droht ihr eine Sammelklage aus Guatemala. Es geht um medizinische Experimente, bei denen zwischen 1946 und 1948 rund 700 Guatemalteken auf Betreiben von US-Ärzten mit Syphilis infiziert wurden.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Solche Experimente haben eine Parallele in den USA selbst. Ab 1932 wurden in Tuskegee im US-Bundesstaat Alabama 40 Jahre lang rund 400 an Syphilis erkrankte Afro-Amerikaner einer klinischen Studie unterzogen, bei der der Verlauf der Geschlechtskrankheit untersucht werden sollte. Allerdings wurde den Schwarzen nie erklärt, an welcher Krankheit sie litten, noch wurden sie je dagegen behandelt, obwohl ab 1947 Penicillin als Standardmedikament gegen die Krankheit zur Verfügung gestanden wäre. Als Ausgleich erhielten die Testobjekte sonstige medizinische Versorgung, Mahlzeiten und eine Sterbeversicherung. Als 1972 diese Machenschaften aufgedeckt wurden, waren noch 74 Testpersonen am Leben, 19 Kinder waren mit angeborener Syphilis auf die Welt gekommen. 1979 kam es zu Gesetzesverschärfungen.

Infizierte Prostituierte für Gefangene

Im Gegensatz dazu wurden in Guatemala nicht nur bereits Infizierte beobachtet, sondern Soldaten, Gefangene und Insassen von Heimen für Geisteskranke bewusst angesteckt. Die Zustimmung wurde zum Teil von den Institutionen mit Geschenken wie Kühlschränken oder Medikamenten, von Individuen durch Zigaretten erkauft. Den Gefängnisinsassen sollen bereits infizierte, von den US-Ärzten bezahlte Prostituierte zugeführt worden sein, um die Krankheit weiterzugeben.

Entdeckt wurden diese Vorgänge erst 2005, als eine Medizinhistorikerin wegen des Tuskegee-Experiments die Papiere des Mediziners John Charles Cutler durchstöberte - der Angestellte der Gesundheitsbehörde hatte an der Endphase der Studie in Alabama teilgenommen. Dabei stieß die Professorin auf die Experimente in Guatemala, an denen Cutler gleichfalls beteiligt war, und publizierte die Ergebnisse 2009.

Clinton und Obamaentschuldigten sich

Im Oktober des Vorjahres bat schließlich US-Außenministerin Hillary Clinton um Verzeihung für die Experimente, Präsident Barack Obama rief persönlich beim Präsidenten Guatemalas, Alvaro Colom, an, um sich zu entschuldigen.

Von finanzieller Kompensation war bisher allerdings nicht die Rede. Diese streben die Opferanwälte nun an. Vorläufig haben sie nur die Namen von sieben Klägern verlautbart. Die niedrige Zahl führen sie nicht nur darauf zurück, dass viele Opfer mittlerweile verstorben sind, sondern auch darauf, dass die Nachricht von diesen "abstoßenden Forschungspraktiken" (Clinton) noch nicht in alle Gebiete Guatemalas durchgedrungen ist.

Die Anwälte wollen nun erreichen, dass etwaigen Ansprüchen von Opfern in den USA stattgegeben wird. Ist dies nicht der Fall, kommt es eben zur Sammelklage.