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Um die Lautstärke wird es laut Orchestermusiker für EU-Verordnung

Von Edwin Baumgartner

Analysen

Für Satiriker ist es ein gefundenes Fressen: Die EU will ab Februar 2008 die Lautstärke von Musikdarbietungen regeln. Die Verordnung zielt primär auf Pop- und Rockkonzerte, trifft aber auch Aufführungen in Konzert- und Opernhäusern. Die von der EU angepeilte Lautstärke wird nämlich beispielsweise von Werken Anton Bruckners, Gustav Mahlers oder Richard Wagners mühelos überschritten.


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Aus der Richtung von Veranstaltern und Journalisten im Bereich der klassischen Musik kommt Protest: Man könne Interpreten nicht die Lautstärke vorschreiben, denn die sei letzten Endes ein Teil der Interpretation.

Tatsächlich klingt das Vorhaben der EU grotesk. Orchestermusiker sehen das jedoch anders.

Die Sitzordnung des Orchesters bedingt etwa in der Wiener Staatsoper, dass die Posaunisten den Trompetern in die Ohren spielen, Oboen und Klarinetten wiederum sind mit den Hör nern konfrontiert. So belfern z.B. bei Wagners "Ring des Nibe lungen" acht Hörner ihr Fortissimo den Holzbläsern um die Ohren.

Auf dem Konzertpodium gibt es mehrere Aufstellungen. Für sie alle gilt: Wer vor den Blechbläsern sitzt, braucht ein strapazierfähiges Trommelfell.

Diese Schall-Belastungen kommen auch durch die Beschaffenheit der Opern-Orchestergräben und Konzertsaal-Podien zustande. Sie stammen meist aus dem 19. und beginnenden 20. Jahrhundert, als die Bauweise der Instrumente solche Lautstärken gar nicht zugelassen hat.

Obendrein sind die Podien und Orchestergräben für kleinere Orchesterbesetzungen ausgelegt als jene, die seit Wagner zur Norm wurden. Womit zur ohnedies gesteigerten Lautstärke hinzukommt, dass die Musiker enger sitzen müssen, die Schallquelle dem Ohr des Vordermanns also noch näher rückt.

Gehörschäden zählen dementsprechend zu den häufigsten - und am häufigsten verschwiegenen - Musikerkrankheiten. So ist es nicht verwunderlich, dass bei einem Rundruf der "Wiener Zeitung" sämtliche befragten Musiker die EU-Verordnung für eine gute Sache halten.

Dennoch wollen die Musiker nicht in diesem Zusammenhang genannt werden: Das Thema sei auf der Arbeitgeber-Seite emotional allzu aufgeladen. Denn es wird an den Arbeitgebern liegen, die aufgrund der EU-Verordnung vermehrt erforderlichen arbeitsmedizinischen Untersuchungen zu finanzieren. Befürchtet werden Musiker-Ausfälle, die nur mit einer Vergrößerung und damit Verteuerung des Orchesters aufgefangen werden können.

Vielleicht macht aber das Beispiel der Bayerischen Staats oper München Schule: Dort schützen Plexiglasschirme die Musiker vor dem Schall des Hintermanns: Eine kostengünstige und dem Vernehmen nach effektive Lösung. Die seltsame Optik wird angesichts dessen gerne in Kauf genommen.