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Um Haaresbreite an der technischen Rezession vorbei

Von Stefan Schneider

Gastkommentare
Stefan Schneider ist Chefvolkswirt für Deutschland bei Deutsche Bank Research in Frankfurt, einer unabhängigen Denkfabrik unter dem Dach der Deutschen Bank.
© DB Research / Martin Joppen

Beim Blick auf die deutsche Wirtschaft ist immer noch Vorsicht geboten.


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Das deutsche Bundesamt für Statistik hat die aktuellen Zahlen zum Wirtschaftswachstum im ersten Quartal vorgelegt. Wir hatten angedeutet, dass das BIP im ersten Quartal aufgrund der starken Erholung im produzierenden Sektor eine positive Überraschung bringen könnte, aber gewarnt, dass der Verbrauch (insbesondere in Bezug auf Dienstleistungen, die nicht gut von den monatlichen Statistiken abgedeckt sind) eine stärkere Belastung für das Wachstum sein könnte. Das vom Statistischen Bundesamt nun gemeldete BIP-Wachstum von 0,0 Prozent gegenüber dem Vorquartal (plus 0,2 Prozent im Jahresvergleich) bestätigt unsere Vorsicht (der Markt erwartete einen Anstieg von 0,2 Prozent). Darüber hinaus haben sich die Salami-Kürzungen des BIP im vierten Quartal 2022 fortgesetzt. Die BIP-Veränderung wurde nach einer vorläufigen ersten Schätzung von 0 Prozent im Jänner vom Statistischen Bundesamt erst auf minus 0,2 und dann minus 0,4 Prozent revidiert. Nun steht ein Rückgang um 0,5 Prozent zu Buche. Natürlich mahnen diese mehrfachen Revisionen auch mit Blick auf die Bewertung der heute veröffentlichten Zahlen zum ersten Quartal 2023 zur Vorsicht.

Laut Kommentar des Bundesamtes ist der private und öffentliche Konsum im ersten Quartal gesunken, während sich Investitionen und Exporte verbessert haben. Detaillierte Ergebnisse werden am 25. Mai veröffentlicht. Wir halten jedenfalls an unserer 0-Prozent-Prognose für das heurige Jahr fest.

Die BIP-Stabilisierung im ersten Quartal kann auf eine stärkere Verbesserung in der Industrie als erwartet zurückgeführt werden. Im Jänner und Februar stieg die Produktion im Vergleich zum vierten Quartal um 2,1 Prozent. Gründe dafür waren die erhebliche Entspannung bei den Lieferketten und der Rückgang der Gasgroßhandelspreise, der eine leichte Erholung der Produktion energieintensiver Sektoren ermöglichte. Darüber hinaus verzeichnete der rezessive Bausektor im Jänner und Februar einen wetterbedingten Aufschwung, die Bauproduktion ging gegenüber dem vierten Quartal um gut 7 Prozent nach oben. Dies ist wahrscheinlich auch für den Anstieg der Investitionsausgaben verantwortlich.

Wir erwarten, dass sich diese Aufholeffekte im zweiten Quartal verringern und im Bau wohl umkehren werden. Ein erster Hinweis ist der Rückgang des Lkw-Mautindex um 2,6 Prozent im März, der stark mit der Industrieproduktion korreliert hat (im April hat er sich mehr oder weniger seitwärts bewegt). Der private Konsum wird im zweiten Quartal wahrscheinlich schwach bleiben, da die Inflation immer noch hoch ist und die Lohnerhöhungen noch kein ausreichendes Gegengewicht bieten. Daher erwarten wir weiterhin eine flache Erholung, die durch die hohe Inflation, die erwartete US-Rezession im zweiten Halbjahr und zunehmende Bremseffekte der jüngsten und weiteren EZB-Zinserhöhungen (wir erwarten eine Terminal Rate von 3,75 Prozent) belastet wird. Obwohl einige Prognostiker kürzlich ihre Prognosen für das heurige BIP-Wachstum angehoben haben (wobei viele keine US-Rezession erwarten), bleiben wir bei unserer Prognose einer jahresdurchschnittlichen Wachstumsrate von 0 Prozent für das Jahr 2023.