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Karl verteidigt Entwurf zum Widerspruch bei Hausdurchsuchungen.
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Wien. Sie fühlen sich missverstanden. In einer eilig einberufenen Pressekonferenz erklärten Justizministerin Beatrix Karl und ihr Sektionschef Christian Pilnacek am Donnerstag, warum die Pläne des Ministeriums in Bezug auf die Novelle der Strafprozessordnung aus ihrer Sicht "völlig falsch dargestellt wurden".
Aber der Reihe nach: Wie berichtet, hat der Rechtsanwaltskammertag (Örak) empört auf eine geplante Änderung des Paragrafen 112 der Strafprozessordnung hingewiesen, mit der - so die Befürchtung - das Berufsgeheimnis von Anwälten, Ärzten, Notaren, Priestern und Journalisten ausgehebelt werden soll. Und das noch dazu heimlich: Denn der entsprechende Entwurf sei nicht einmal einer Begutachtung unterzogen worden, stattdessen habe man den Paragrafen zwischen dem Ende der Begutachtungsfrist und dem Beschluss im Ministerrat komplett geändert, so der Vorwurf der Rechtsanwälte.
Tatsächlich unterscheidet sich die Regierungsvorlage, die laut Ministerium auf einer zweiseitigen Stellungnahme des Oberlandesgerichts Graz und auf den Erkenntnissen aus der Begutachtung fußt, maßgeblich von dem Ministerialentwurf. Prinzipiell regelt § 112 das Widerspruchsrecht gegen die Beschlagnahmung von Dokumenten im Zuge einer Hausdurchsuchung. Wenn die betroffene Person bisher "unter Berufung auf eine gesetzlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit" gegen die Sicherstellung der Daten Einspruch erhoben hat, mussten diese Akten oder Datenträger versiegelt werden und durften erst nach der Sichtung durch ein Gericht in das Ermittlungsverfahren einfließen.
Mit der von Karl geplanten Neuregelung hat eine Person nur noch dann ein Widerspruchsrecht, wenn sie in dem Verfahren nicht als Beschuldigter geführt wird. Das ruft insofern Kritiker auf den Plan, als man zum Beispiel einem investigativen Journalisten dann Anstiftung zum Bruch des Amtsgeheimnisses vorwerfen könnte, womit dieser Beschuldigter wäre und kein Widerspruchsrecht mehr hätte. Pilnacek wies dies zurück. Schließlich müsse eine Hausdurchsuchung von einem Richter genehmigt werden. Missbrauch sei nie ausgeschlossen, aber man dürfe "nicht immer annehmen, dass die Staatsanwaltschaft rechtswidrig handelt".
Der zweite Punkt, der nicht nur die Rechtsanwaltskammer stört, ist der geplante frühe Einblick des Staatsanwalts in die Akten. Konkret soll der Betroffene nach der Hausdurchsuchung 14 Tage Zeit bekommen, der Beschlagnahmung von Akten oder Datenträgern zu widersprechen. Dann kann er gemeinsam mit dem Staatsanwalt die Akten durchsehen, und es wird entschieden, welche relevant sind und welche nicht. Entscheidet bisher ein Gericht über diese Frage, so soll, geht es nach Karl, künftig der Staatsanwalt zuständig sein. Erst, wenn der Betroffene hier neuerlich widerspricht, werden die Akten versperrt und es ist wiederum der Richter am Zug. Für den Wiener Strafrechtsprofessor Helmut Fuchs ist das "rechtsstaatlich bedenklich". Es bestehe die Gefahr, dass die Berufsgeheimnisse durch die Novelle zu bloß theoretischen und illusorischen Rechten würden, sagte er der APA. Denn selbst wenn nach einer Sichtung klar würde, dass Aktenteile dem Berufsgeheimnis unterliegen, hätte der Staatsanwalt sie ja bereits gesehen. "Wie wenig solche ,Vergessensgebote in der Praxis wirken und wirken können, bedarf wohl keiner näheren Erläuterung", sagte Fuchs.
Auch in dieser Frage waren Karl und Pilnacek um Beschwichtigung bemüht. So sei bei der Sichtung der Dokumente schon jetzt ein Staatsanwalt dabei, meinte Karl. Mit der Novelle solle keinesfalls das Berufsgeheimnis beschränkt werden, sondern vielmehr gestärkt: Schließlich werde damit eine zusätzliche Erstsichtung durch den Betroffenen ermöglicht, letzterer könne nicht benötigte Unterlagen auch viel schneller nach Hause nehmen.
Apropos Tempo: Das scheint der Hauptgrund für die geplante Gesetzesänderung zu sein. In den Erläuterungen gibt das Ministerium unumwunden zu, dass große Wirtschaftsstrafverfahren "oftmals durch die bloße Behauptung des Vorliegens irgendeiner gesetzlich anerkannten Verschwiegenheitspflicht . . . um mehrere Monate verzögert" würden.
Karl betonte auch, dass die SPÖ immer informiert gewesen sei - so habe man den Entwurf mit Spiegelminister Norbert Darabos abgeglichen, den Ministerrat habe der Paragraf als Teil der Novelle der Strafregisterauszüge passiert. Dass Justizsprecher Hannes Jarolim nun dagegen sei, sei ein Problem der SPÖ-internen Kommunikation, .sagte Karl.
Jarolim sauer über "unkollegialen Akt"
Jarolim sieht das naturgemäß anders: Eine derartige Änderung in einem Gesetzeskonvolut zu verstecken und den Koalitionspartner nicht darüber zu informieren - "nach dem Motto jetzt schauen wir mal, ob die Kasperln draufkommen", sei ein "unkollegialer Akt", sagte er zur "Wiener Zeitung". Am Montag, wenn das Gesetz im Nationalrat einem Expertenhearing unterzogen werden soll, werde es daher sicher zu Änderungen kommen müssen. Am Dienstag soll der Paragraf den Justizausschuss passieren. Dagegen gehen auch Ärztekammer und Journalistengewerkschaft auf die Barrikaden. Letztere startete eine Online-Petition gegen den "Anschlag auf die Pressefreiheit".
Auch Karl räumt ein, dass der Entwurf nicht in Stein gemeißelt sei. "Wir sind mitten im Prozedere" sagte sie. Dass sie auch mit dem Entwurf zur Ausweitung der Diversion auf Korruptionsfälle, den sie zurückziehen musste, Fehler gemacht hat, räumte Karl ein: "Ich habe das völlig falsch eingeschätzt." Sie habe nicht bedacht, dass die Öffentlichkeit da nur an große Fälle denkt.