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"Umbrüche sind die besten Zeiten, um zu investieren"

Von Bernd Vasari

Wirtschaft
"Wenn wir künftig von A nach B wollen, werden wir nicht mehr ans eigene Auto denken", sagt Haimberger.
© AWS Gründerfonds

Warum Gründen gerade jetzt richtig ist, welche Branchen am meisten in Bewegung sind und wo Österreich Aufholbedarf hat, erklärt Christoph Haimberger, Chef des AWS-Gründerfonds.


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Je größer die Krise, desto größer ist das Bedürfnis nach Lösungen. Für den heimischen Wirtschaftsstandort sind nun die besten Ideen gefragt, um in der Krise zu bestehen und vielleicht sogar besser zu werden. Mehr als 500 Millionen Euro investierte der AWS-Gründerfonds bisher gemeinsam mit Co-Investoren in junge österreichische Unternehmen. In welche Branchen derzeit am meisten investiert wird, über Zukunftstrends und die Auswirkungen der EU-Klimaziele spricht AWS-Geschäftsführer Christoph Haimberger:

"Wiener Zeitung": Herr Haimberger, das Austria Wirtschaftsservice (AWS) ist die Förderbank des Bundes, wofür braucht es auch noch den AWS Gründerfonds?Christoph Haimberger: Wir sind eine Tochtergesellschaft der Förderbank. Doch wir agieren wie ein privater Risikokapitalfonds, also unabhängig. Wir sind daher dem Markt voll ausgesetzt. Wir investieren Eigenkapital und bekommen im Gegenzug Anteile von den Gesellschaften. Beim Verkauf dieser Anteile bekommen wir das Geld zurück und schütten es an unsere Investoren aus. Der Bund ist unser Hauptinvestor, die Erste Bank unser größter privater Investor. Wir sind immer offen für neue Investoren.

Klimawandel, Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine wirbeln unseren Wirtschaftsstandort gehörig durcheinander. Können Sie die Gründung eines Unternehmens in diesen Zeiten empfehlen?

Ja, denn Krisen sind für unsere Anlageklasse nichts Ungewöhnliches. Wir arbeiten mit extrem agilen Start-ups zusammen, viele von ihnen sind Krisengewinner. So etwa Softwareunternehmen im Bereich Analyse von Lieferketten. Sie werden sehr stark vom Markt nachgefragt, weil jedes Unternehmen seine Lieferketten jetzt genauer und am besten in Echtzeit analysieren will.

Sehen Sie diese Krise als Gefahr oder als Chance?

Veränderung ist für uns die einzige Konstante. In der Krise passieren viele Umbrüche. Und Umbrüche sind die besten Zeiten, um zu investieren. So ist es auch derzeit. Unser Portfolio performt in Summe sehr gut.

Wird der heimische Wirtschaftsstandort neu sortiert?

Es geht darum, wo unser Land hinlenkt. Eines ist jedenfalls klar, die Zukunftstrends sind digital und grün, weil dort die größten Umbrüche stattfinden. Europa formiert sich neu rund um den Green Deal der EU-Kommission. Die EU hat Klimaziele für 2030, 2040 und 2050. Wir wissen zwar nicht genau, wie wir da hinkommen, aber auf dem Weg dorthin wird es eine Menge Lösungen brauchen. Und wo eine Menge Lösungen gebraucht werden, sind auch innovative Unternehmen gefragt. Ein kleines Start-up hat dort die beste Chance, wo sich solche neue Nährböden finden.

Welche Branche ist derzeit am meisten in Bewegung?

Der Bereich Mobilität verändert sich enorm. Weg vom Besitz eines Autos hin zu grünen Antrieben, effizienter Einsatz von Flotten. Unser letztes Investment war im Bereich Shared Mobility. Dabei geht es um eine Softwarelösung, damit Fahrzeuge leichter geteilt werden können. Das stehende Fahrzeug ist der größte Kostenfaktor. Wenn wir künftig von A nach B wollen, werden wir nicht mehr ans eigene Auto denken. Denn wir wollen künftig kostengünstig und umweltfreundlich von A nach B. Auch in der Baubranche tut sich einiges.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Wir investieren in ein Software-Unternehmen, das die Hitzetage in Städten reduzieren will. Mithilfe ihrer Software kann bereits vorweg festgestellt werden, wie sich gewisse Baumaterialen auf die Temperaturen im Grätzel auswirken. Die Software soll im öffentlichen Wohnbau zur Anwendung kommen. Nach der Prüfung der Materialen wird ein Zertifikat vergeben. Der Auftraggeber kann somit anhand dieses Kriteriums seine Auswahl treffen.

Der AWS-Gründerfonds besteht seit 2013. Wie viel wurde seitdem in heimische Start-ups investiert?

Wir führten bisher über 40 Transaktionen durch und investierten rund 50 Millionen Euro, gemeinsam mit Co-Investoren sind es 500 Millionen Euro für den heimischen Standort. Aktuell haben wir 26 Beteiligungen. Wir konnten eine hohe Risikokapitalexpertise aufbauen. Wir wollen auch große und mittlere Konzerne einladen, dass sie ihren Weg gemeinsam mit uns bestreiten. Viele von ihnen bauten zwar große Innovationsabteilungen auf, diese Abteilungen kommen aber nicht aus dem Investmentgeschäft. Wir bieten uns hier als Brücke an, um aus diesen Innovationen marktfähige Produkte zu machen.

Ab welcher Stufe steigt der AWS-Gründerfonds ein?

Typischerweise beginnt ein Start-up mit Fördergeld, dann mit einem Businessangel. Wir steigen ein, sobald das Produkt stark am Markt nachgefragt wird, die Umsatzzahl ist nicht so wichtig. Wir sind daher der erste institutionelle Investor, wir setzen das Regelwerk für Folgefinanzierungen. Wir vernetzen die Start-ups aber auch mit Businessangels.

Welche drei Tipps würden Sie Gründern mitgeben?

Leidenschaft, Kundenorientiertheit, Teamarbeit. Es geht darum, ein konkretes Problem zu lösen.

Was wünschen Sie sich für die Gründerlandschaft in Österreich?

Statistisch gesehen liegen wir beim Risikokapitalmarkt im unteren europäischen Durchschnitt. Da gibt es einen wesentlichen Aufholbedarf. Wir liegen hinter Deutschland aber auch hinter vielen osteuropäischen Ländern wie Ungarn, die einen viel stärkeren Risikokapitalmarkt haben. Österreich ist stark in der Forschung. Doch bei der Überführung von Forschungsaktivitäten zum marktfähigen Produkt ist noch viel Luft nach oben.

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