US-Finanzministerin Janet Yellen fordert erstmals globale Mindeststeuern. Das soll den Steuerwettbewerb bremsen und die Staatskassen füllen.
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Zusammen können wir eine globale Mindeststeuer nutzen, um sicherzustellen, dass die Weltwirtschaft basierend auf gleichen Wettbewerbsbedingungen für internationale Unternehmen floriert und Innovation, Wachstum und Wohlstand ankurbelt", sagte die amtierende US-Finanzministerin Janet Yellen am Montag in einer Rede im Vorfeld des Treffens des Internationalen Währungsfonds (IWF). Man wolle mit den G20-Staaten, der Gruppe der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer, einen entsprechenden Vorschlag erarbeiten.
Es sind ganz neue, ungewohnte Töne, die Yellen hier anschlägt. Konkret geht es darum, den internationalen Steuerwettbewerb nach unten zu unterbinden. Unternehmen sollen weltweit nicht weniger als einen festgelegten Gewinnsteuersatz zahlen. Die Forderung nach einer höheren Besteuerung von internationalen Konzernen und einem Mindeststeuersatz ist nicht neu. NGOs und globalisierungskritische Ökonomen fordern das seit Jahren. Neu ist aber, dass sie aus den höchsten US-Regierungskreisen kommt. Und das hat nicht nur mit globaler Steuergerechtigkeit zu tun, sondern mit leeren Staatskassen im Zuge der Corona-Pandemie, in den USA und weltweit.
Diskussion über Digitalsteuer
Die EU und die meisten OECD-Länder diskutieren schon länger über eine sogenannte Digitalsteuer für internationale Internetkonzerne wie Amazon, Google, Facebook oder Apple. Die USA haben das unter dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump strikt abgelehnt. Vor allem deshalb, weil die Digitalsteuer in erster Linie US-Konzerne trifft. Außerdem gelten auch US-Bundesstaaten wie etwa Delaware als Steueroasen mit sehr niedrigen Abgabenquoten.
Die EU-Staaten haben im Vorjahr angekündigt, notfalls auch ohne die USA eine Digitalsteuer einzuführen. Eine solche gibt es schon in Frankreich und auch in Österreich. Hierzulande haben die Einnahmen aus der Abgabe für Online-Werbung die Erwartungen um ein Vielfaches übertroffen. Eigentlich wollte die OECD schon Ende des Vorjahres einen Vorschlag für eine globale Digitalsteuer präsentieren, eine Einigung gibt es aber noch immer nicht.
Abfluss in Steueroasen
Zu holen gäbe es jedenfalls viel. Laut dem französischen Ökonomen Gabriel Zucman liegen weltweit mehr als 7,4 Billionen US-Dollar in Steueroasen. Das Geld wurde also über legale, halblegale und illegale Steuertricks in Länder mit besonders niedrigen Steuersätzen verschoben. Diese Steuertricks nutzen in erster Linie große, international tätige Konzerne. Laut dem Ökonomen Hannes Winner von der Universität Salzburg ist die Steuerlast für national tätige Unternehmen um ein Drittel höher als für international tätige Firmen. Er und seine Forscherkollegen haben für diese Erhebung internationale Bilanzdaten verglichen und kamen zum Schluss, dass die Abgabenlast mit dem Grat an Internationalisierung sinkt.
"Durch einen internationalen Mindeststeuersatz wird der extreme Rand nach unten trockengelegt (Steueroasen, Anm.)", sagt Winner im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Er warnt jedoch vor zu viel Euphorie in diese Richtung. "Eine solche Forderung ist aber politisch kaum umzusetzen." Seit den 1960er-Jahren gäbe es eine Debatte über einheitliche Steuervorgaben. Alle Bemühungen in diese Richtung seien aber bisher gescheitert.
Auch die Wifo-Ökonomin Margit Schratzenstaller meint: "Das ist grundsätzlich ein sehr begrüßenswerter Vorstoß." Der Teufel liegt aber im Detail. Gänzlich offen ist die Frage, wie hoch dieser Mindeststeuersatz ausfallen soll. Österreich bewegt sich mit einem Körperschaftsteuersatz von 25 Prozent international eher im höheren Segment. Einigt sich die internationale Staatengemeinschaft auf niedrigere Unternehmenssteuern, bringt das Länder mit höheren Abgaben unter Wettbewerbsdruck. Umgekehrt fehlt der politische Wille in Niedrigsteuerländern, die Steuerquote anzuheben. Aus Angst, dass dann viele Firmen deswegen abwandern könnten.
"Hinzu kommt die Frage: Nach welchem Regime besteuern wir?", so Winner. Derzeit gilt das Wohnsitzland-Prinzip. Gewinne werden also dort versteuert, wo der Firmensitz ist. Möglich wäre aber auch eine Besteuerung nach dem Quellenlandprinzip. Die Steuerlast soll also dort anfallen, wo (hauptsächlich) produziert wird. Davon würden große Produktionsländer wie China oder Indien stärker als jetzt profitieren. In der EU wird wiederum dafür geworben, dort zu besteuern, wo auch der Großteil des Umsatzes generiert wird. Das Umsatzprinzip wäre ein Vorteil für die EU-Staaten, die ein gewichtiger globaler Konsumentenmarkt sind.
Donald Trump hat den US-Unternehmenssteuersatz von 35 auf 21 Prozent gesenkt. Sein Nachfolger, Joe Biden, möchte ihn wieder auf 28 Prozent anheben. Das Geld braucht er dringend für den zwei Billionen Dollar schweren Corona-Wiederaufbau. Damit sollen etwa Infrastruktur- und Klimaprojekte, aber auch Bildung und die flächendeckende Impfkampagne finanziert werden.
Wettbewerb vermeiden
"Es ist nicht ganz einfach einzuschätzen, warum die USA gerade jetzt einlenken", meint Winner. Die Steuerlast in den USA ist grundsätzlich höher als im globalen Durchschnitt. Eine weitere Anhebung wäre unter Umständen ein Wettbewerbsnachteil. Deshalb will die Biden-Administration nun eine Reihe anderer Industriestaaten für den globalen Mindeststeuersatz gewinnen.
Außerdem zeigt laut Wenner die Ankündigung der EU, notfalls auch ohne die USA, internationale Multis stärker zu besteuern, Wirkung. Erst vor kurzem hat sich die EU auf öffentliche Country-by-country-reportings geeinigt. Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro müssen künftig offenlegen, wie viele Steuern sie in welchem EU-Land bezahlt haben. Neben der Frage des Steuersatzes sei aber auch die Frage der Bemessungsgrundlage für Investitionen entscheidend, so Winner. Was also in welchem Ausmaß von der Steuer abgesetzt werden kann. Laut Schratzenstaller müsste man auch über die Gewinnermittlungsgrundlage sprechen.