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Bemessung des Unterhalts früher ohne Rücksicht auf Verwerflichkeit der Schulden. | Konsumschulden werden nun nicht mehr eingepreist. | Wien.Aufgrund des Anstiegs der Privatinsolvenzen in den letzten Jahren hat die Frage an Bedeutung gewonnen, wie sich die Insolvenz eines Unterhaltspflichtigen auf die Unterhaltsansprüche seiner Angehörigen auswirkt - also gegenüber den Kindern und dem (geschiedenen) Ehepartner.
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Der Unterhalt wird im Normalfall vom Nettogehalt bemessen. In der Insolvenz wird aber bekanntermaßen ein Teil des Gehalts einbehalten, um die Schulden zu tilgen. Was dem Schuldner dann pro Monat bleibt, ist das jeweils festzusetzende Existenzminimum. Damit stellt sich die Frage, von welchem Betrag der Unterhalt nun bemessen wird, das heißt, ob die Belastung des Schuldners durch insolvenzrechtliche Abzüge und Schuldzahlungen zu berücksichtigen oder weiterhin das volle Nettogehalt heranzuziehen ist.
Bis vor einigen Jahren vertrat der Oberste Gerichtshof (OGH) hier eine strenge Linie: Vor, während und nach der Insolvenz gleichermaßen durften Schuldzahlungen nur ausnahmsweise von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abgezogen werden, wenn die Schuld nach strengen Kriterien als unterhaltsrechtlich berücksichtigungswürdig erschien. Maßgeblich ist dabei primär der Zweck, zu dem die Verbindlichkeit eingegangen wurde. So sind Schulden aus der Geschäftstätigkeit wohl abzugsfähig, Schulden aus Privatkonsum (etwa ein neues Auto) hingegen nicht.
Vor etwa zehn Jahren begann der OGH, insolvente Unterhaltsschuldner großzügiger zu behandeln. Verkürzt dargestellt wurde einerseits eine besondere Belastungsgrenze (Differenzmethode) entwickelt. Hier geht es um die Sicherung des sogenannten Unterhaltsexistenzminimums. Das ist jener Teil des Einkommens, der dem Schuldner für den ureigenen Lebensbedarf bleiben soll. Die Differenz zwischen dem Existenzminimum und dem (kleineren) Unterhaltsexistenzminimum sollte dafür ausreichen, dass der Schuldner alle Verpflichtungen aus dem Unterhalt gegenüber seinen Angehörigen decken kann.
Unterhalt könnte jetzt an Existenz schrammen
Daher: Die Summe der monatlichen Unterhaltsleistungen, die einen unselbständig erwerbstätigen Schuldner während des Insolvenzverfahrens treffen, durfte die Differenz zwischen Existenzminimum und Unterhaltsexistenzminimum nicht übersteigen.
Andererseits wurde dem Schuldner ermöglicht, insolvenzrechtliche Schuldzahlungen ohne Rücksicht auf Zweck und Vorwerfbarkeit der Verschuldung von der Bemessungsgrundlage abzuziehen. Diese eher sprunghaft verlaufende Judikaturlinie stieß in der unterhaltsrechtlichen Literatur auf einhellige Kritik.
Der OGH hat vor kurzem mit der Entscheidung eines verstärkten Senats sich dieser Kritik angeschlossen und sowohl die generelle Abzugsfähigkeit insolvenzrechtlicher Schuldzahlungen als auch die Differenzmethode aufgegeben.
Rückblickend betrachtet ist die Rechtsprechung damit nach einem zehnjährigen Intermezzo wieder an ihrem Ausgangspunkt angelangt.
Positiv an der neuen Judikatur hervorzuheben ist, dass der Sonderstatus der Insolvenz aufgegeben wurde und wieder alle Fälle freiwilliger Schuldzahlungen und exekutiv oder insolvenzrechtlich erzwungener Abzüge gleich behandelt werden. Nicht unproblematisch erscheint aber die Aufgabe der Differenzmethode.
Die vom verstärkten Senat bevorzugte Belastungskontrollrechnung führt bei nicht berücksichtigungswürdigen Schulden, die nicht von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden können (etwa Konsumschulden), zwangsläufig zu der Problematik, dass es Fälle geben kann, in denen der Schuldner den festgesetzten Unterhalt beim besten Willen nicht vollständig leisten kann, ohne seine eigene Existenz zu gefährden oder die im gemeinsamen Haushalt lebenden Natural- gegenüber den Geldunterhaltsberechtigten zu benachteiligen. In Einzelfällen müsste er sich dadurch wieder in Schulden stürzen, obwohl gerade die Insolvenz einen Neustart in ein schuldenfreies Leben ermöglichen sollte.
Wolfgang Kolmasch ist Ko-Autor des bei LexisNexis erschienen Buchs "Unterhaltsrecht" (5.Auflage). Den ungekürzten Text über die Insolvenzproblematik finden Sie in der Zeitschrift "Zak" (Ausgabe 15/2010).