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Umkreist von Islamisten

Von Daniel Bischof

Politik

Saudi-Arabien schickt 30.000 Soldaten an die irakische Grenze. Das Königreich gerät in Bedrängnis.


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Wien/Riad. Der Krieg im Irak wirft seinen Schatten auf Saudi- Arabien: Laut der saudischen Nachrichtenagentur SPA hat König Abdullah am Donnerstag 30.000 Soldaten an der Grenze zum Irak stationieren lassen. Das sei notwendig, um das Land vor "terroristischen Bedrohungen" zu schützen, wird berichtet. Der Entscheidung war ein Gespräch des US-Präsidenten Barack Obama mit Abdullah vorangegangen.

Der Hintergrund: Saudi-Arabien und der Irak teilen sich eine etwa 800 Kilometer lange Grenze. Die Terrorgruppe Isis, die sich mit der irakischen Armee weiterhin heftige Kämpfe liefert und bereits große Teile des Westiraks kontrolliert, steht damit nahe der Türschwelle des saudischen Königreichs. Außerdem kursierten am Donnerstag widersprüchliche Meldungen über den Verbleib irakischer Grenzsoldaten. Während das saudische Staatsfernsehen Al-Arabiya vom Rückzug 2500 irakischer Soldaten von der saudischen Grenze ins Landesinnere berichtete, dementierte der Sprecher des irakischen Premiers Nuri al-Maliki diese Meldung. Irakische Soldaten würden die "volle Kontrolle" über die Grenze besitzen, erklärte er.

Unterdessen ist Isis im Irak und Syrien weiter auf dem Vormarsch. Laut der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte herrscht Isis in Syrien nun über ein Gebiet, das dreimal so groß ist wie die Steiermark.

Doch die unsichere Lage an der Grenze zum Irak und in Syrien ist nicht das einzige Problem für das repressive Saudi-Arabien, den weltweit größten Erdölproduzenten und Exporteur: Einige der brutalsten Isis-Krieger sollen saudische Staatsbürger sein. Laut BBC werden manche der weitverbreiteten Exekutionsvideos, die Isis seit ihrem Vormarsch veröffentlicht, von Männern mit saudischen Akzenten kommentiert. Es wird befürchtet, dass diese nach dem Ende der Kämpfe nach Saudi-Arabien zurückkommen.

Zudem sind Riads Beziehungen zur Terrorgruppe durchaus ambivalent: Das sunnitische Königreich ist einer der letzten Widersacher des schiitisch dominierten Iran. Seit dem Sturz des sunnitischen irakischen Diktators Saddam Hussein herrschen in Bagdad iranfreundliche Schiiten. Isis wiederum besteht mehrheitlich aus sunnitischen Salafisten, die den wachsenden Einfluss des Iran in der Region bedrohen.

Woher kommt das Geld?

Isis zählt mittlerweile zu den bestorganisierten und bestfinanzierten Terrorgruppen der Welt. Doch woher bekommt die Gruppe all ihre Ressourcen?

Oft wird Saudi-Arabien als Hauptsponsor der Terrororganisation genannt. "Saudi-Arabien ist der spirituelle, materielle und ideologische Unterstützer von Isis", sagte etwa der iranische Parlamentarier Mohammed Asafari diese Woche. Das Königreich weist die Anschuldigungen von sich. Vielmehr sei die diskriminierende Politik des irakischen Premierministers Nuri al-Maliki gegenüber der sunnitischen Minderheit im Irak für den Erfolg von Isis verantwortlich, heißt es aus Riad. Eine US-amerikanische Studie deckt die Saudis: Nur fünf Prozent ihres Geldes soll Isis von ausländischen Spendern bekommen. Der Großteil der Einnahmen soll aus Erpressungen, Geiselnahmen und von den Terroristen in den eroberten Gebieten eingeführten Steuern erzielt worden sein. Weitere 309 Millionen Euro konnte Isis außerdem bei ihrem Raubzug durch die Banken der irakischen Stadt Mosul erbeuten. Laut "Financial Times" sollen die Terroristen auch Ölförderungsvereinbarungen mit lokalen Stämmen in Syrien haben.

Auch wenn die direkten Verbindungen zwischen Riad und Isis im Unklaren bleiben, sind die Saudis vermutlich indirekt für den Aufstieg der Terrorgruppe mitverantwortlich. So soll Riad viel Geld und Zeit investiert haben, um in Syrien eine starke, sunnitische Rebellenarmee gegen das alawitische, mit dem Iran verbündete Assad-Regime aufzubauen. Im Chaos des jahrelangen Bürgerkrieges und den vielen zersplitterten, unterschiedlichsten Rebellen- und Islamistengruppen könnten Ressourcen rasch in die falschen Hände geraten sein.

Dunkle Zukunftsaussichten

So unklar die wahren Beziehungen zwischen den verschiedenen Akteuren sind, lässt sich doch festhalten, dass Saudi-Arabien schwierige Zeiten bevorstehen. Das Land droht von Fanatikern und Radikalen eingekreist zu werden.

Die gebirgige, südliche Grenze zum Jemen ist schon jetzt eine Problemzone: Der Kampf gegen Terroristen, Drogen- und Waffenschmuggler hat bereits einige saudische Grenzsoldaten das Leben gekostet. Zudem scheinen die vermehrten US-Drohnenangriffe im Jemen darauf hinzudeuten, dass sich das Land zunehmend zum Rückzugsgebiet für Al-Kaida und andere Terrorgruppen entwickelt. Ein zerfallender, von Terroristen überschwemmter Irak, wird die Situation für das Königreich weiter verschärfen.