Wirtschaftsbund spricht von minus 57 Millionen Euro, Vassilakou wundert sich.
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Wien. Gerade da, wo sich der Verkehr nun zum größten Teil beruhigt hat, gehen weiter die Emotionen hoch: Die mittlerweile zur politischen Kampfzone gewordene Mariahilfer Straße bringt nahezu täglich einen neuen Aufruhr hervor. Diesmal ist es die Wiener Wirtschaftsbund, der eine Umfrage mit durchaus interessanten Zahlen veröffentlicht hat: Demnach hat es bei Kleinunternehmen rund um die Mariahilfer Straße zwischen August und Oktober einen Umsatzrückgang von 57 Millionen Euro gegeben.
Zwar hat diese Erhebung einen eindeutigen parteipolitischen Hintergrund, sei aber angesichts einer Rücklaufquote von 30 Prozent durchaus ernst zu nehmen. Zumal hier mehr als 600 Unternehmen freiwillig Angaben zu ihren Umsätzen gemacht hätten. "Wir haben 2238 Unternehmer per Mail angeschrieben, 833 haben reagiert und 605 die doch sehr umfangreichen Fragebögen vollständig ausgefüllt", erklärte ein Sprecher am Donnerstag der "Wiener Zeitung".
Bei der Kundenfrequenz wurde im Zuge der Befragung ein Rückgang von 40 Prozent beklagt. Jeder siebente Unternehmer plane aus diesem Grund personelle Veränderungen, heißt es in die Umfrage. In den Bezirken Mariahilf und Neubau gibt es derzeit rund 60.000 Arbeitsplätze.
Auf der Mariahilfer Straße ist laut Erhebung der Umsatzrückgang etwas geringer ausgefallen als in den Nebenlagen. Dort sei es nämlich schwierig geworden, Geschäfte anzufahren bzw. sie überhaupt zu sehen. Deswegen beträgt der Umsatzrückgang laut Befragung in diesen "Seitenlagen" bis zu minus 14,58 Prozent, während die Befragten durchschnittlich einen Rückgang von minus 4,9 Prozent beklagten. Insgesamt beklagten immerhin 211 der Befragten ein Umsatzminus zwischen 5 und mehr als 20 Prozent.
Auf die Frage: "Wie bewerten Sie aus Ihrem persönlichen Empfinden das Projekt Mariahilfer Straße?" antworteten 60,83 Prozent mit einem "Nicht genügend", 6,78 Prozent mit "Genügend, 5,62 Prozent mit "Befriedigend", 12,73 Prozent mit "Gut" und 14,04 Prozent mit einem "Sehr gut".
Als Maßnahmen, um die Situation zu verbessern, gaben 37,01 der Befragten den Wunsch an, dass mehr Querungen geöffnet werden sollten. 34,65 Prozent sprachen sich dafür aus, die "irreführenden" Einbahnregelungen aufzuheben oder zumindest zu vereinfachen. 16,9 Prozent wünsche sich mehr Halte- und Ladezonen, 11,43 Prozent die Aufhebung der Tempo-30-Zonen.
"Zahlen unseriös"
Im Büro von Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou zweifelt man die Seriosität der Umfrage an. Man kann vor allem nicht nachvollziehen, woher die 57 Millionen Euro Umsatzrückgang in zwei Monaten herkommen sollen.
Laut den Berechnungen des Wirtschaftsbundes hätten nämlich 200 Betriebe - das ist ein Drittel von 600 Befragten - mit Umsatzeinbußen zwischen 5 bis 20 Prozent binnen 2,5 Monaten Rückgänge von 57 Millionen verursacht. 2,5 Monate deshalb, weil die "Inbetriebnahme" der Mariahilfer Straße erst Mitte August erfolgte. Ergo: Selbst wenn man die höchsten Umsatzeinbußen mit 20 Prozent annimmt, würde das einen Rückgang von 285.000 Euro pro Betrieb ausmachen. Und das wiederum würde bedeuten, dass jeder dieser 200 Betriebe in 2,5 Monaten einen Umsatz von 1.425.000 Euro zu verzeichnen hätte oder einen Monatsumsatz von 570.000 Euro.
"Vassilakou ist mit sehr vielen Unternehmen in direktem Kontakt. Und sie hat sich in den vergangenen Wochen selbst ein Bild von deren Lage gemacht. Ja, es gibt den einen oder anderen Kritikpunkt, aber das Bild, das der Wirtschaftsbund zeigt, können wir nicht teilen", erklärte ein Sprecher am Donnerstag. Abgesehen davon sei die Wirtschaftskammer in die gesamte Planung der Mariahilfer Straße eingebunden gewesen. "Wir haben mit ihr die Lieferzeiten verhandelt und über die Auswirkungen auf die Nebengebiete besprochen." Man verstehe deshalb nicht, was der Wirtschaftsbund mit solchen Informationen bezwecken wolle.