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Umsetzung von EU-Richtlinien: Neue Mitglieder vorne

Von Waldemar Hummer

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In dem Mitte Juli bereits zum vierzehnten Mal veröffentlichten Binnenmarktanzeiger listet die Europäische Kommission den Stand der Umsetzung der binnenmarktrelevanten Richtlinien durch die einzelnen EU-Mitgliedstaaten auf. In einer Rangliste differenziert sie die Stellung der einzelnen Mitglieder sowohl nach dem Prozentsatz der nicht umgesetzten Richtlinien als auch nach der Zahl der gegen einen Staat eröffneten Vertragsverletzungsverfahren gem. Art 226 EGV.


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Mit 29 nicht umgesetzten Richtlinien - was bei insgesamt bis Mitte des Jahres umzusetzenden 1.604 Richtlinien einem Prozentsatz von 1,8 entspricht - nimmt Österreich lediglich den 16. Rang unter den 25 EU-Staaten ein. Das Ranking reicht von Litauen (0,7 Prozent) bis Italien (4,1 Prozent). Im EU-Schnitt beträgt der Prozentsatz der nicht fristgerecht umgesetzten Richtlinien gegenwärtig 1,9 Prozent - gegenüber 7,1 Prozent im Vorjahr. Mit diesem bisher zweitbesten Ergebnis kamen die Mitgliedstaaten dem vom Europäischen Rat vorgegebenen Ziel eines Umsetzungsdefizits von nicht mehr als 1,5 Prozent schon sehr nahe.

Für die alten 15 Mitglieder allein ist das Umsetzungsdefizit mit 2,1 Prozent höher, woraus hervorgeht, dass die zehn neuen EU-Länder eine bessere Umsetzungsbilanz haben, obwohl sie binnen kurzer Zeit den gesamten recht lichen Besitzstand der Union zu übernehmen hatten. 245 Binnenmarktrichtlinien - das entspricht 15 Prozent - sind in mindestens einem der neuen Mitgliedstaaten nicht fristgerecht umgesetzt worden. Die beste Bilanz weisen Litauen, Ungarn und Slowenien auf.

Die Gesamtzahl der zum Stichtag 1. Mai 2005 gegen die Republik Österreich laufenden Vertragsverletzungsverfahren beläuft sich auf 56. Unter den 15 alten Mitgliedstaaten nimmt Österreich damit den 7. Rang ein. Gegen Dänemark, dem listenersten Staat sind aktuell 32 und gegen Italien als Schlusslicht 152 Verfahren anhängig. In der Binnenmarktstrategie 2003 bis 2006 des Europäischen Rates wurde gefordert, die Zahl der Vertragsverletzungsverfahren bis 2006 um 50 Prozent zu senken, aber nur vier der alten 15 Mitgliedstaaten - Belgien, Österreich, Frankreich und Schweden - ist es gelungen, die Zahl der gegen sie anhängigen Vertragsverletzungsverfahren zu senken. Kein Land kommt aber auch nur annähernd in die Näheder angestrebten 50-prozentigen Senkung der Verfahren bis 2006.

Es stellt sich die Frage, ob die föderale Struktur Österreichs für das eher schlechte Abschneiden des Landes verantwortlich ist. Je nach Materie kann es dabei ja zur Umsetzungspflicht für zehn Gesetzgeber (Bundes- und neun Landesgesetzgeber) kommen, was durchaus einen verzögernden Effekt auslösen könnte. Bei den nicht zeitgerecht umgesetzten 29 Richtlinien handelt es sich aber ausschließlich um solche, die entweder nur in die Kompetenz des Bundes oder zumindest auch in dessen Kompetenz fallen. Ausschließliche Länderkompetenzen werden dabei nicht berührt.

Auch bei den anhängigen Vertragsverletzungsverfahren wird nur in wenigen Fällen die Säumigkeit eines Bundeslandes gerügt. Mit ein Beleg dafür ist der Umstand, dass die in Art. 23d Abs. 5 B-VG vorgesehene "Ersatzvornahme" durch den Bund im Falle der Säumigkeit eines Landes seit 1995 lediglich ein einziges Mal aktiviert wurde und zwar im Falle der Verordnung der BReg über den Schutz von Bediensteten des Landes Kärnten sowie der Gemeinden und Gemeindeverbände dieses Landes gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe (BGBl. II 2002/173).

DDDr. Waldemar Hummer ist Universitätsprofessor für Völkerrecht und Europarecht am Institut für Völkerrecht, Europarecht und Internationale Beziehungen der Universität Innsbruck. privat