Kaum ein anderes legistisches Vorhaben der Europäischen Kommission hat so viele (neoliberale) Befürchtungen ausgelöst, wie ihr Vorschlag für eine Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt vom Februar 2004 [KOM(2004) 2]. Mit dieser so genannten Dienstleistungs-Richtlinie wollte die Brüsseler Behörde den Vorgaben der "Lissabonner-Strategie" des Europäischen Rates von Lissabon vom März 2000 - gemäß derer die EU bis 2010 zum wettbewerbsfähigen und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt werden soll - genügen. Zur Verwirklichung dieser ambitionierten Zielsetzung erschien ihr vor allem die Vollendung eines wirklichen Binnenmarktes für Dienstleistungen (DL) unerlässlich, sind diese doch für fast 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und der Beschäftigung in der EU verantwortlich.
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Ziel des Vorschlages ist es, einen allgemeinen Rechtsrahmen zu schaffen, durch den die Hindernisse für die Niederlassungsfreiheit von DL-Erbringern und für den freien DL-Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten beseitigt werden. Die geplante Richtlinie erstreckt sich auf alle Dienstleistungen - mit Ausnahme von Finanz-, elektronischen und Verkehrs-Dienstleistungen - und gilt nur für DL-Erbringer, die in einem EU-Mitgliedstaat niedergelassen sind. In dem Vorschlag sind grundsätzlich vier Liberalisierungs-Instrumente vorgesehen: das Herkunftslandprinzip, nach dem der DL-Erbringer einzig den Rechtsvorschriften des Landes unterliegt, in dem er niedergelassen ist und wonach die Mitgliedstaaten die Erbringung von DL durch in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene DL-Erbringer nicht beschränken dürfen; das Recht der DL-Empfänger, DL aus anderen Mitgliedstaaten in Anspruch zu nehmen, ohne dabei durch restriktive Vorschriften ihres eigenen Landes behindert zu werden; Maßnahmen zur Unterstützung der Empfänger von DL aus einem anderen Mitgliedstaat und Kontrollen bei der Entsendung von Arbeitnehmern im Zusammenhang mit der Erbringung von Dienstleistungen.
Für die Kritiker hat man mit dem "Herkunftslandprinzip" aber den "Bock zum Gärtner" gemacht, bedeutet dieses doch, dass es allein dem Herkunftsmitgliedstaat obliegt, für eine wirksame Kontrolle seiner DL-Unternehmen zu sorgen - auch und selbst dann, wenn diese ihre DL in einem anderen Mitgliedstaat erbringen.
Univ.-Prof. Waldemar Hummer ist Leiter des Instituts für Völkerrecht, Europarecht und Internationale Beziehungen an der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck.