Überlebenschance nach einem großen Schlaganfall steigt. | Neue Studien bestätigen nun alte Konzepte. | Heidelberg/Stuttgart. Patienten mit sehr großen Schlaganfällen haben eine sehr schlechte Prognose. Der Verschluss der mittleren Hirnarterie führt bei nahezu 80 Prozent trotz intensivmedizinischer Behandlung zum Tode. Das abgestorbene Hirngewebe und seine Umgebung schwellen durch die Einlagerung von Wasser (Hirnödem) an und der Hirndruck steigt massiv.
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Auf diese lebensbedrohliche Entwicklung reagieren die Ärzte an manchen Kliniken seit Jahren mit einer martialisch anmutenden Methode: Für die ersten 48 Stunden nach einem großen Schlaganfall entfernen sie halbseitig die Schädeldecke. Das nimmt den Druck und verschafft dem Hirngewebe genügend Raum.
Die Operation selbst ist einfach durchzuführen, galt aber bislang vielfach als umstritten. Kritiker verwiesen immer wieder auf mögliche bleibende, schwere Behinderungen, vor allem wenn die dominante Gehirnhälfte betroffen ist, in der das Sprachvermögen lokalisiert ist.
Während also die so genannte Hemikraniektomie mancherorts als Standard praktiziert wurde und wird, kommt sie in anderen Spitälern nur jungen Patienten zugute und dann auch nur, wenn die nicht-dominante Gehirnhälfte betroffen ist.
Um Klarheit in die Debatte zu bringen hat Prof. Werner Hacke, ärztlicher Direktor der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg, die Destiny-Studie initiiert, deren Daten gemeinsam mit jenen der beiden Schwesternstudien Decimal und Hamlet analysiert wurden. Gemeinsam schlossen die drei Studien 95 Patienten ein. Die Ergebnisse weisen auf eine dreifach höhere Überlebensrate der operierten Patienten und eine geringere Schwerbehindertenrate gegenüber den ausschließlich intensivmedizinisch Behandelten hin.
"Erstmals ist damit wissenschaftlich belegt, dass die Hemikraniektomie Leben retten und vor schweren Behinderungen bewahren kann", erklärt Hacke und ergänzt: "Diese Ergebnisse stellen einen Meilenstein in der Behandlung des Schlaganfalles dar."
Prof. Wolf-Ingo Steudel, Neurochirurg am Universitätsklinikum des Saarlandes, hatte Daten zu den Studien eingebracht und bestätigt: "Vor allem bei Patienten ab 50 Jahren sehen wir deutliche Vorteile."
Die aktuelle Analyse war im Fachmagazin "Lancet Neurology" veröffentlicht worden und wird laut einer Mitteilung der Universität Heidelberg von Experten auf diesem Gebiet zu den wichtigsten Fortschritten gerechnet, die im Jahr 2006 erzielt werden konnten.
Wirkstoff Alteplase
gilt als sicher
Auf einen weiteren Fortschritt in der Behandlung von Schlaganfällen deutet eine europaweite Studie hin, die nach Auswertung von 6500 Patientendaten die Sicherheit des Wirkstoffes Alteplase bestätigt, der nach Verabreichung in der Akut-Phase (die ersten drei Stunden nach dem Hirninfarkt) die für den Schlaganfall verantwortlichen Blutgerinnsel in den Hirngefäßen auflöst und die Durchblutung wieder herstellt.
Bereits vor elf Jahren wurde erstmals in einer US-Studie gezeigt, dass eine Behandlung mit Alteplase beim Schlaganfall den Tod verhindert und das Ausmaß der Behinderungen begrenzt. Sofern die Patienten möglichst rasch behandelt werden. Obwohl auch andere Studien die Ergebnisse bestätigten, hatten bislang immer noch viele Ärzte Bedenken gegen die Therapie.
"Sie befürchten, dass es unter der Therapie zu Hirnblutungen kommt, die den Zustand des Patienten verschlechtern können. Diese Gefahr steht jedoch in keinem Verhältnis zu dem hohen Nutzen", sagt Prof. Martin Grond, Vorsitzender der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft mit Blick auf die aktuellen Ergebnisse.
Grond hofft, dass die Studie auch jene Ärzte überzeugt, die der Thrombolyse-Behandlung mit Alteplase bislang skeptisch gegenüber standen. Er weist aber auch darauf hin, dass die Therapie anspruchsvoll ist und deshalb am Besten an Kliniken durchgeführt wird, die über spezialisierte Abteilungen, so genannte Stroke Units, verfügen.