Das von ÖGB- und AK-Experten erarbeitete einheitliche Pensionsmodell stößt auf Ablehnung: Beim ÖGB-Kongress im Austria Center gab es bei der Sozialdebatte im Saal und auf den Gängen viele kritische Stimmen. Eine Delegierte meinte, der ÖGB schlage nun sogar selbst "Grausamkeiten" vor. Die Alternativen und Grünen GewerkschafterInnen (AUGE) sind mit der "Österreich-Pension" ebenfalls äußerst unzufrieden: Diese wurde zu sehr der Regierungsposition angepasst.
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Die Regierung darf sich freuen, denn der ÖGB nimmt ihr mit dem neuen Pensionsmodell einiges an Arbeit ab. Kein Wunder also, dass der Kanzler schon bei der Kongresseröffnung am Vortag demonstrativ die "Österreich Pension" sogar gelobt hat. Dies ist zumindest die Auffassung vieler verärgerter Gewerkschafter, die sich mit dem Präsentierten nicht abfinden wollen.
"Das Modell ist bei der Finanzierung zu defensiv." Markus Koza, Bundessekretär der AUGE, distanziert sich vom Vorschlag. Seine Kritik: Es wurde nicht überlegt, für die Pensionen neue Finanzierungsquellen wie die Vermögenssteuer oder die Wertschöpfungsabgabe zu erschließen. Statt dessen schlage auch das ÖGB-Konzept Pensionskürzungen in Anlehnung an das Regierungsmodell vor. "Der Durchrechnungszeitraum von 45 Jahren führt zwangsläufig zu geringeren Pensionsansprüchen als einer von 15 Jahren." Gerade für Arbeitnehmer, die eine lange Ausbildungszeit haben, bringt dieser Vorschlag massive Pensionseinbußen. Koza bedauert, dass Ersatzzeiten für Ausbildungsjahre nicht vorgesehen sind. Für ihn ist nicht verständlich, warum das neue Pensionsmodell nicht den Ansprüchen einer modernen Bildungsgesellschaft angepasst wurde.
Kritik quer durch Fraktionen
Auch die Delegierten anderer Fraktionen wollen sich mit dem "eigenen" Pensionsmodell gar nicht anfreunden. Für den neu gewählten FCG-Vorsitzenden Karl Klein muss jetzt die Harmonisierungsdebatte einsetzen. Gerade im Falle der Beamtenpensionen, betonte er gegenüber der "Wiener Zeitung", sei das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Gemeinsam mit Bund, Ländern und Gemeinden müssten finanzierbare Lösungen gefunden werden. Von einer "speed kills"-Taktik hält Klein gar nichts. Eine sofortige Umstellung auf das ASVG-Schema mit Arbeitgeberanteil sei jedenfalls für die Gebietskörperschaften nicht zu verkraften.
ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch verteidigte in seiner Grundsatzrede vor den versammelten Funktionären die "Österreich Pension". Für ihn ist durch sie gewährleistet, dass auch die Jungen später einmal ausreichend abgesichert sind. Als Verbesserung gegenüber dem Entwurf der Regierung nannte Verzetnitsch die höhere Bewertung von Schwerarbeit und die höhere Anrechnung der Kindererziehung. Nach Wünschen des ÖGB soll ein einheitliches Pensionssystem für alle kommen: Nach 45 Versicherungsjahren erhält man, sofern man 65 Jahre alt ist, 80 Prozent des durchschnittlichen Lebenseinkommens. Ein Kritiker dieser 45-65-80-Formel stellt fest, dass diese exakt den Vorstellungen der Regierung entspreche.
Unter den ÖGB-Forderungen findet sich einmal mehr die Wertschöpfungsabgabe. Schon beim letzten Bundeskongress beschlossen, wird sie auch diesmal bemüht. Für Verzetnitsch ist sie ein brauchbares Instrument zur Finanzierung des Gesundheitsbereichs. Von einer Senkung der Lohnnebenkosten will er dagegen nichts wissen, denn das hieße den 13. und 14. Gehalt antasten und Sozialleistungen beschneiden. Ein Delegierter meinte gar, die Abgabe wäre "die wichtigste sozialpolitische Abgabe zur Sicherung des Sozialstaates".
Über ÖGB-Interna darf am Bundeskongress nicht diskutiert werden. Eine neue Debatte über die Organisationsstruktur verbat sich der Präsident. "Jetzt geht es um das Umsetzen der neuen Struktur." Die drei großen Gewerkschaftsblöcke hätten nun die Aufgabe neue Mitglieder zu gewinnen. Ein äußerst schwieriger Auftrag, denn die Mitgliederzahl sinkt seit Jahren stetig.