Trotz Kritik aus dem In- und Ausland stimmte das Parlament in Warschau für Änderungen im Tribunal.
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Warschau/Brüssel. Von Kritik lässt sich Polens Regierung kaum beirren. Trotz zahlreicher Einwände aus dem In- und Ausland treibt die nationalkonservative Partei PiS (Recht und Gerechtigkeit) den Umbau staatlicher Institutionen voran. In einem der am heftigsten umstrittenen Vorhaben ist sie nun fast an ihrem Ziel angelangt: Das Parlament in Warschau hat Änderungen zum Gesetz über das Verfassungsgericht angenommen. Noch muss der Staatspräsident unterzeichnen, aber da Andrzej Duda selbst aus den PiS-Reihen stammt, gibt es kaum Zweifel daran, dass er seine Unterschrift unter den Entwurf setzen wird.
Der Zwist um das Tribunal schwelt schon seit Monaten. Er begann im Vorjahr mit umstrittenen Postenbesetzungen: Dem Wunsch der Regierungspartei folgend hat Duda die Vereidigung einiger dem Kabinett nicht genehmer Richter verhindert und stattdessen andere Amtsträger angelobt. Die von PiS geplante Reform des Verfassungsgerichts sorgte für weiteren Unmut, weil die Änderungen zu einer Lähmung des Tribunals führen könnten. Als die Richter diese Vorschläge in eigener Sache im März für verfassungswidrig erklärten, weigerte sich die Regierung schlicht, das Urteil zu veröffentlichen.
Dies führte nicht nur zu Protesten weiter Kreise von Juristen, Professoren und Richtern sowie zu Demonstrationen, an denen auch schon einmal hunderttausende Menschen teilgenommen hatten. Europarat und EU-Kommission schalteten sich ebenfalls ein. Die Brüsseler Behörde leitete ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in Polen ein. Dieses hat bereits seine zweite Stufe erreicht, nachdem die Kommission eine Stellungnahme an die Regierung in Warschau geschickt hatte, in der sie ihre Bedenken darlegte.
In einem letzten Schritt sieht das EU-Verfahren Strafmaßnahmen wie den Entzug des Stimmrechts, etwa bei EU-Ministersitzungen, vor. Das ist freilich lange nicht in Sicht. Erst wenn Brüssel konkrete Empfehlungen gibt und diese nicht beachtet werden, erst wenn festgestellt wird, dass EU-Regeln "schwerwiegend und anhaltend" verletzt worden sind, könnten Sanktionen drohen. Dem müssten dann aber auch noch die Mitgliedstaaten zustimmen.
"Bedenken nicht ausgeräumt"
Unbeirrt davon setzte die polnische Regierung die Arbeit an der Gesetzesreform fort und ließ nun den Sejm, das Parlament in Warschau, darüber abstimmen. Ein paar Korrekturen gab es dennoch. So sollen die Eingriffsrechte des Staatspräsidenten geringer sein als ursprünglich geplant. Auch müssen die Richter Beschlüsse nicht mit Zwei-Drittel-Mehrheit fällen, wie vorgesehen. Es reicht eine einfache Mehrheit.
Einige der besonders umstrittenen Punkte bleiben jedoch, wie die Zeitung "Gazeta Wyborcza" berichtet. Dazu gehört die Regelung, dass das Tribunal Fälle künftig chronologisch statt nach ihrer Bedeutung behandeln soll. Zu einem Bearbeitungsstau könnte außerdem führen, dass die Stimmen von vier Richtern genügen, um eine Urteilsverkündung zu blockieren. Die Veröffentlichung des Urteils vom März ist übrigens nicht vorgesehen.
Die EU-Kommission dürfte mit dem Gesetzesentwurf kaum zufrieden sein. Die meisten Bedenken, geäußert von ihr und vom Europarat, seien nämlich nicht ausgeräumt, hieß es gegenüber der "Wiener Zeitung". Die Behörde will "bald" über ihr weiteres Vorgehen beraten.