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Umstrittenes Erdöl-Projekt im Tschad: Ein zweites Ogoniland?

Von Patrice Epangue

Politik

Im Doba-Becken im Süden des Tschad liegt das größte Ölvorkommen Afrikas. Ein Konsortium aus den Firmen Exxon, Shell und Elf Aquitaine will dieses erschließen und vermarkten. Das Öl soll über eine 1.100 km lange Pipeline quer durch Kamerun geleitet und über die Hafenstadt Kribi exportiert werden. Die Produktionskosten werden auf über 3,5 Milliarden US-Dollar geschätzt. Mit günstigen Krediten der Weltbankgruppe wird fest gerechnet, um die Kosten zu senken und das Projekt auch für andere Banken und für Exportversicherungsgesellschaften attraktiv zu machen. Die politischen, sozialen und ökologischen Folgen des Projekts sind allerdings unabsehbar.


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Die zur Weltbankgruppe gehörende International Finance Corporation (IFC), die Kredite direkt an Unternehmen vergibt, soll sich mit 250 Mio. US-Dollar an dem Firmenkonsortium beteiligen. Den Öl-Multis geht es neben dem finanziellen Beitrag vor allem um das politische Gewicht der Weltbank.

Weltbank ist entscheidend

Laut Aussagen des Öl-Konsortiums will es nur investieren, wenn die Weltbank in das Projekt einsteigt. Die Weltbank prüft dieses Projekt derzeit. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die Investitionen im Tschad wurde gerade fertiggestellt; eine weitere für den Pipeline-Bau in Kamerun wird für das Jahresende erwartet. Außerdem sind weitere Studien zur Umsiedlung und zu umweltschutzpolitischen Maßnahmen in Vorbereitung. Mitte 1998 will das Exekutivgremium der Weltbank über eine Finanzbeteiligung endgültig entscheiden.

Besonders umstritten ist, dass auch die Weltbanktochter IDA (International Development Association), die besonders günstige Kredite an die ärmsten Länder vergibt (keine Zinsen, lange Laufzeiten), weitere 120 Mio. US-Dollar bereitstellen soll. Laut Aussagen der Bank sollen die IDA-Hilfen für den Bau der Pipeline und anderer Infrastruktureinrichtungen (Marinebasis etc.) eingesetzt werden. Dieser Einsatz hochkonzessionärer Kredite, die eigentlich der direkten Armutsüberwindung dienen sollen, wird damit gerechtfertigt, dass die Öleinnahmen und die Einnahmen aus den Gebühren für die Pipeline den Volkswirtschaften beider Länder indirekt der Armutsbekämpfung zugute käme. Im Tschad heißt dies, dass - statt eines ursprünglich konzipierten Entwicklungsfonds - die öffentlichen Ausgaben der erwirtschaften Einnahmen aus dem Ölgeschäft durch ein Rechnungsprüferbüro überwacht werden sollen. In Falle Kameruns könnten die Einanhmen von ca. 60 Mio. US-Dollar pro Jahr in den Staatshaushalt fließen und für den Schuldendienst des Landes (!) eingesetzt werden.

Die politischen, sozialen und ökologischen Folgen des geplanten Projektes sind vielschichtig und kaum absehbar. Zu den sozialen Folgen in der fruchtbaren Doba-Region zählt, dass viele Menschen ihre Lebensgrundlagen verlieren werden. Erste Entschädigungszahlungen an Bauern lassen erkennen, dass den Menschen kein adäquater Ersatz für den Verlust ihrer Felder angeboten wird. Der Süden ist wichtigster Nahrungsmittellieferant des Tschad und produziert Baumwolle für den Export. Die Erdölförderung wird dieses fruchtbare Acker- und Weideland über Jahre verwüsten. In Kamerun werden vor allem Pygmäen vom Pipeline-Bau betroffen sein. Deren Lebensgrundlagen dürften durch die entlang der Pipeline eindringenden Bagger, Arbeiter und Holzfäller erheblich gefährdet sein.

Bürgerkriegsgefahr

Besonders gravierend könnten die politischen Folgen der geplanten Investitionen der Erdölmultis werden. Ein Wiederaufflammen des Bürgerkrieges zwischen der muslimischen Bevölkerung im Norden und der christlichen und animistischen Bevölkerung im Süden des Tschad ist nicht auszuschließen. Auf der einen Seite könnten die Öleinnahmen im Süden zu einem verstärkten Ruf nach politischer Autonomie führen. Auf der anderen Seite dürfte der tschadische Präsident Idriss Déby, dessen Armee sich hauptsächlich aus muslimischen Soldaten des Nordens rekrutiert, alles daran setzen, die Kontrolle über den "reichen" Süden zu behalten.

Diese Sorge wird nun durch eine Meldung von der Menschenrechtsorganisation amnesty international erhärtet. In Moundou inmitten des Erdölgebietes im Süden des Landes kam es am 30. Oktober 1997 zu Kämpfen zwischen den tschadischen Sicherheitskräften und der ehemaligen FARF (Bewaffnete Kräfte für eine Föderale Republik). Noch im April war ein Friedensabkommen zwischen der tschadischen Regierung und der FARF unterzeichnet worden. Während der Kämpfe wurden mindestens 80 Menschen, darunter viele unbewaffnete Zivilisten, ermordet. In den Tagen nach den Kämpfen wurde Moundou von den Sicherheitskräften durchkämmt. Zahlreiche unbewaffnete Zivilisten, die verdächtigt wurden, mit der FARF zu kollaborieren, sind teils außergerichtlich hingerichtet, teils festgenommen und misshandelt oder gefoltert worden.

Zu befürchten ist, dass die tschadischen Streitkräfte die "Aufstandsbekämpfung" im Süden dazu benutzen, missliebige Kritiker des Erdölprojektes auszuschalten. Manch ein oppositioneller Parlamentsabgeordneter ist Beispiel für politische Verfolgung im Tschad, gerade auch im Zusammenhang mit Kritik an der geplanten Erdölförderung. Nach klaren kritischen Worten zum Projekt auch im Ausland wurde im Tschad eine Kampagne zur Aufhebung ihrer Immunität eingeleitet.

Zahlreiche nationale und internationale Umwelt- und Entwicklungsorganisationen stellen deshalb die Frage, ob unter solchen politischen Rahmenbedingungen geplante Umwelt- und Sozialauflagen im Rahmen des Projektes politisch überhaupt umsetzbar und von der Weltbank zu überprüfen sind.

Bevor die Weltbank irgendwelche neuen Ölprojekte entwickelt, sollte sie auf alle Fälle erst die Einführung demokratischer Reformen in Tschad unterstützen, um zu gewährleisten, dass die Bürger vom Projekt auch etwas gewinnen können anstatt dass ihnen geschadet wird. Diese Empfehlung von Daphne Wysham, Mitarbeiterin am Instituts für Politische Studien in Washington, sollte sehr ernst genommen werden.

Patrice Epangue ist Korrespondent von Radio Afrika in Kamerun.