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Umstrittenes Vermächtnis

Von Doris Neubauer

Reflexionen
Das Hundertwasser Art Centre in Neuseeland sperrt - endlich! - auf. Am Sonntag, 20. Februar, ist es so weit.
© Hundertwasser Art Centre

Fast 30 Jahre nach dem Erstentwurf wird in Neuseeland das letzte authentische Hundertwasser-Gebäude der Welt eröffnet.


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Die schiefen Wände spielen alle Farben des Regenbogens. Die Sprünge in den Bodenfliesen sind nicht nur geduldet, sondern erwünscht. Und in einer der Mauern hat zwischen den Ziegeln sogar ein altes Matchbox-Auto ein neues Zuhause gefunden. "Die Leute werden verblüfft sein, und das ist gut so. Wir brauchen mehr Verblüffung", schmunzelt einer der Bauarbeiter, als er am 3. Dezember 2021 mit seinen Kollegen das Gerüst um das Hundertwasser Art Centre in der neuseeländischen Stadt Whangarei, etwa zwei Stunden nördlich von Auckland, abbaut. Mit seinem grau melierten Vollbart und den schelmischen Augen erinnert er an Friedensreich Hundertwasser selbst, jenen österreichischen Künstler und Architekten, dessen Arbeit er seit den 1990er Jahren bewundert. "Endlich ein Hundertwasser-Gebäude dieser Größenordnung in der südlichen Hemisphäre zu haben, ist eine beachtliche Leistung", meint der Arbeiter sichtlich stolz, "es ist die letzte seiner Skizzen. Zu sehen, dass diese zum Leben erwacht, das ist schon etwas Besonderes."

Das Hundertwasser Art Centre hatte eine langwierige Geburt. Bereits 1993 wurde der gebürtige Wiener, der im Anschluss an eine Museums-Wanderausstellung erstmals nach Neuseeland reiste und das Land 1974 zu seiner Zweitheimat ernannte, von der Stadtverwaltung von Whangarei eingeladen, eine Kunstgalerie zu entwerfen. Den geeigneten Ort dafür hatte er schnell im Visier: Ein Gebäude am Fluss Hatea, in dem einst die Hafenverwaltung saß. Doch sein Vorschlag wurde abgelehnt. Für Hundertwasser, der die letzten 25 Jahre seines Lebens auf seinem 370 Hektar großen Grundstück in Kaurinui - etwa eine Stunde nördlich von Whangarei - verbrachte, war es nicht der erste Rückschlag. "Er hatte angeboten, Briefmarken für Neuseeland zu machen", ergänzt sein Freund und Kollege Richard Smart, "doch der Postdirektor meinte, die Menschen wären nicht interessiert." Besonders getroffen hätte Hundertwasser das Scheitern seines spiralförmigen Designs für ein Nationalmuseum in Wellington.

Maori-Kunst

Tatsächlich hinterließ "Frederick", wie er sich in Neuseeland nannte, nur ein einziges Gebäude auf der Südhalbkugel: Die von ihm entworfenen und gebauten Hundertwasser-Toiletten in Kawakawa wurden am 10. Dezember 1999 eingeweiht. Zwei Monate später verstarb der Künstler bei einer Kreuzfahrt im Pazifischen Ozean im Alter von 71 Jahren an Herzversagen und wurde seinem Wunsch entsprechend in Kaurinui begraben. "Es ist nur eine Toilette, aber das zeigt, dass auch kleine Dinge Schönheit ins Leben bringen können", so lauteten Hundertwassers Grußworte zur Einweihung des Lokus in Kawakawa.

Treffender hätte er es wohl kaum ausdrücken können: Denn das stille Örtchen entwickelte sich zum meistfotografierten WC des Landes und lockt jährlich bis zu 300.000 Besucher an. Ähnliche Auswirkungen auf Tourismus und Wirtschaft könnte auch Whangarei gut gebrauchen, argumentierten Befürworter des Hundertwasser Art Centres und brachten 2007 den Entwurf des Österreichers erneut ins Gespräch.

Nachdem eine Delegation aus Neuseeland ins ferne Wien gereist war, sagte die Hundertwasser Non Profit Foundation ihre Unterstützung zu und holte den deutschen Architekten Heinz Springmann an Bord, der mit dem Künstler gemeinsam Projekte in Europa und Japan verwirklicht hatte. Er erstellte die Pläne von Hundertwassers Vision für das Gebäude und ein maßstabsgetreues Modell. "Hundertwassers Zeichnung ist immer eine Grundlinie, er entwickelt das allgemeine Design und die Philosophie", beschreibt Richard Smart die Vorgehensweise. So waren sowohl der begehbare Dachgarten wie auch die pompöse goldene Kuppel des Gebäudes bereits in der Skizze enthalten.

Ebenso wollte Hundertwasser, der 1986 neuseeländischer Staatsbürger wurde, in der Galerie neben seinen eigenen Werken auch Kunst der indigenen Maori ausstellen. Diesem Wunsch wird im heutigen Hundertwasser Art Center Rechnung getragen. Zusätzlich zu den Originalwerken im Wert von 16 Millionen Euro, die die Hundertwasser Non Profit Foundation kostenlos zu Verfügung stellte, werden in der separaten Wairau Maori Art Gallery zeitgenössische Kunstschätze aus der Maori-Kultur gezeigt.

Bis dahin sollten aber noch einige Jahre vergehen. Zwar war das Ergebnis einer Machbarkeitsstudie, die Deloitte 2011 im Auftrag der Stadtverwaltung von Whangarei durchführte, überzeugend: Das Beratungsunternehmen kalkulierte, dass sich die wirtschaftlichen Nettoeinkünfte der Region Northland jährlich auf etwa 3,5 Millionen NZD (rund 2,1 Millionen Euro) belaufen und andere Infrastrukturprojekte im Tourismus ankurbeln könnten.

Turmbau zu Whangarei . . .
© Hundertwasser Art Centre

Das Hundertwasser Art Centre wurde in den Langzeitplan für die Stadt aufgenommen. Kaum drei Jahre später lehnten allerdings neu gewählte Stadträte den Plan erneut als "unpassend" und "zu teuer" ab. Diesmal wollten passionierte Bewohner und Geschäftsleute das Scheitern aber nicht hinnehmen: Als die Stadt im September 2014 eine öffentliche Ausschreibung für das ehemalige Gebäude der Hafenverwaltung initiierte, brachten sie als "Prosper Northland Trust" den Vorschlag eines Hundertwasser Wairau Maori Art Centre ins Spiel. Eine Idee, die sich bei einem Referendum im Juni 2015 durchsetzte. Zwei Jahre gab die Stadtverwaltung dem Verein Zeit, den Projektplan zu finalisieren.

Zahlreiche Hürden

Ein Dreivierteljahr später konnte die Stiftung den nächsten Meilenstein erreichen: Mit Hilfe zahlreicher Spender, Sponsoren und Unterstützung durch Whangarei sowie den Staat Neuseeland erreichten sie das Finanzierungsziel. Der Bau konnte im September 2018 starten. Doch auf die gute Nachricht folgte die nächste Hiobsbotschaft: "Das Hafengebäude sollte ursprünglich adaptiert und weiterverwendet werden, doch Untersuchungen ergaben, dass es voller Asbest war und die seismischen Anforderungen nicht erfüllte", erklärt Richard Smart, der als einziger Repräsentant der Hundertwasser Non Profit Foundation in Neuseeland fungiert. Das Gebäude musste abgetragen werden, in Vergessenheit geriet es aber nicht: "Über 40.000 der alten Ziegel wurden von etwa genauso vielen Freiwilligen gereinigt und recycelt", so Kathleen Drumm, die seit Juni 2019 Geschäftsführerin des Hundertwasser Art Centres ist.

Zusätzlich wurden etwa drei Kilometer recyceltes Holz in den Böden der Galerien wiederverwendet. Dadurch konnten die Umwelt geschont und auch die Kosten für neue Materialien reduziert werden. Dennoch wurde das Budget, das bereits auf 26 Millionen NZD (15,6 Millionen Euro) angestiegen war, schnell gesprengt: "Ursprünglich lagen wir 4 Millionen NZD (2,4 Millionen Euro) darüber", erklärt die Neuseeländerin. "Und dann kam Covid."

Kathleen Drumm ist seit Juni 2019 Geschäftsführerin des Hundertwasser Art Centre.
© Hundertwasser Art Centre

Durch die Lockdowns geriet die Arbeit auf der Baustelle in Verzug. Die Restriktionen brachten weitere Herausforderungen. "Der barrierefreie Treppenlift, der den Dachgarten mit der goldenen Kuppel verbindet, ist noch immer nicht aus Deutschland angekommen", nennt die frühere Industrie-Direktorin des Toronto International Film Festival (TIFF) eine der Schwierigkeiten. Auch Richard Smart kann ein Lied von den Hürden singen: Aufgrund der strengen Einreisebestimmungen seit Ausbruch der Pandemie konnte der Kurator "nicht von Wien nach Neuseeland reisen, um die Ausstellung zu installieren", erklärt er, "also gab es nur den einen Weg, dass ich nach Wien reise, damit ich mich einschulen lasse." Es seien nämlich die kleinen Details, auf die Hundertwasser Wert gelegt hätte, die seine Kunst so besonders mache. Für ihn liegt hier auch das "größte Problem dieses Projekts", meint der Landschaftsarchitekt, der acht Jahre mit Hundertwasser gearbeitet hat, "die Leute hier wissen alles besser, sie bekommen Dinge günstiger. Es ist ein echter Kampf, dass alles so ist, wie Hundertwasser es wollte".

Man kann es den Projektverantwortlichen nicht übel nehmen, hier und da den Sparstift ansetzen zu wollen. Immerhin ist das Budget des 1.638 Quadratmeter großen Gebäudes auf 33,2 Millionen NZD (fast 20 Millionen Euro) angewachsen, und der Eröffnungstermin wurde wiederholt verschoben: Statt an Hundertwassers Geburtstag am 15. Dezember soll das Art Centre nun am 20. Februar offiziell die Tore öffnen. Besucher aus dem Ausland müssen noch etwas länger warten. Ab 27. Februar wird Neuseeland seine Grenzen schrittweise aufmachen.

Die fehlenden Eintrittsgelder der ursprünglich erwarteten internationalen Besucher (42 Prozent) werden bei den jährlichen Betriebskosten negativ zu Buche schlagen. Durch attraktive Mitgliedschaften "mit Vorteilen wie einem freien Eintritt ins Gebäude, Angeboten für den Shop oder Partnerschaften mit Geschäften in der Stadt" möchte Drumm deshalb verstärkt einheimische Besucher anlocken. Zusätzlich sollen Einnahmen aus dem Shop sowie Spenden die Verluste ausgleichen.

Vermarktung

Am Erfolg des Projekts zweifelt die Geschäftsführerin jedenfalls nicht und stützt sich auf eine Umfrage: Über 80 Prozent aller Bewohner der Nordinsel glauben demnach an einen positiven Effekt des Centres auf die Region. "Wenn die Menschen von unserem Hundertwasser Art Centre erfahren, dann sind 50 Prozent aller Befragten auf der nördlichen Nordinsel verstärkt interessiert, für einen Tagesausflug oder mehrere Tage nach Whangarei zu kommen, das ist signifikant, ist doch die Stadt normalerweise nur einen kurzen Zwischenaufenthalt auf der Reise in die Bay of Islands wert."

Dass Hundertwasser als Tourismus-Magnet vermarktet wird, stößt manchen Wegbegleitern des menschenscheuen Künstlers negativ auf. "Das war bei Hundertwasser immer so", sieht Richard Smart darin keine Diskrepanz. "Als die Kawakawa-Toiletten eröffnet wurden, meinte er zu mir: Das ist gut für Kawakawa, gleichzeitig werden all diese Touristen kommen und es wird überlaufen werden, ich kann nicht hingehen, weil sie mich erkennen, aber ich mache es für sie."

Hundertwasser habe sein ganzes Leben damit verbracht, Dinge zu tun, damit es anderen besser ginge. Dass diese Dinge - wie im Fall des Art Centres - nicht über Nacht zum Leben erwachen, hätte den Künstler ebenfalls nicht beunruhigt. "In einem Zitat bezieht er sich darauf, dass besondere Dinge länger dauern. Er nennt es einen vegetativen Prozess, wie sich Dinge entwickeln. Wenn etwas sofort geschieht, dann hat das nicht den selben Wert", erklärt der gebürtige Südafrikaner, "bei Whangarei war das garantiert der Fall. Es gab viele Stopps, dann ist das Projekt wieder gestartet. Und jedes Mal ist es besser geworden."

Das Art Centre scheint ein echter Hundertwasser zu sein ... mit allem, was dazugehört.

Doris Neubauer, geboren 1978, ist freie Journalistin, Geschichtenerzählerin und Reisende.

Das Hundertwasser Art Centre im Internet: https://www.hundertwasserartcentre.co.nz/