Neue Machthaber versprechen Frieden, gleichzeitig wird geplündert.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Bangui/Wien. Michel Djotodia hat sein Ziel erreicht. Nachdem der 63-Jährige jahrelang die Regierung bekämpft hatte, ernannte sich der Anführer des Rebellenbündnisses Seleka am Montag zum neuen Präsidenten der Zentralafrikanischen Republik. Die Rebellen hatten zuvor die Hauptstadt Bangui eingenommen, der bisherige Staatschef François Bozize ist Hals über Kopf nach Kamerun geflohen.
International bläst dem neuen Herrscher aber kräftiger Gegenwind ins Gesicht: Die Afrikanische Union (AU) setzte wegen des Putsches die Mitgliedschaft der Zentralafrikanischen Republik aus, UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon bezeichnete die Eroberung Banguis als "unrechtmäßige Machtergreifung". Frankreich sagte, dass es nun keine legitime Autorität in dem Land gibt. Gleichzeitig reagierte aber die einflussreiche ehemalige Kolonialmacht pragmatisch und forderte die Seleka auf, sich an Vereinbarungen zu halten, denen die Rebellen erst kürzlich bei einer unter internationaler Schirmherrschaft stehenden Konferenz zur Zentralafrikanischen Republik zugestimmt hatten. Ähnlich reagierten die USA.
Die neuen Herrscher wollen nun beruhigen. Das Regierungskabinett, an dem ohnehin schon Vertreter der Seleka-Rebellen beteiligt waren, werde nur geringfügig verändert. In drei Jahren soll es Wahlen geben. Und: Größte Priorität sei, den Frieden wiederherzustellen, sagte Djotodia dem französischen Sender RFI.
Neue Herrscher sind ein loser Zusammenschluss
Doch was aus Bangui berichtet wird, hat wenig mit Frieden zu tun. Laut Augenzeugen soll es immer wieder zu Plünderungen kommen. Begangen werden diese von einzelnen Bewohnern der Hauptstadt, die das Chaos ausnützen, um sich fremden Besitz anzueignen. Aber auch Mitglieder der Seleka-Milizen sollen an Raubzügen beteiligt sein, während andere Einheiten der Rebellen wiederum versuchen, Ordnung herzustellen.
Die Milizen der Seleka, was übersetzt "Allianz" bedeutet, sind ein loses Bündnis von Exil-Politikern und fünf Rebellengruppen, die sich gegen den nun geflohenen Ex-Machthaber Bozize zusammengeschlossen hatten. Die Miliz war aus dem Nordosten des Landes losmarschiert und rekrutierte bei ihrem Eroberungsfeldzug durch das Land immer wieder neue Kämpfer. Es handelte sich dabei um junge Männer, die Armut und Perspektivenlosigkeit in die Arme der Rebellen trieben.
Bereits vor zwei Monaten stand die Seleka vor den Toren Banguis. Die Armee war wehrlos, doch Truppen aus dem Tschad, die im Rahmen einer afrikanischen Friedensmission in dem Land stationiert sind, retteten damals Bozize. Doch diesmal griffen die Einheiten aus dem Tschad nicht ein. Auch die 250 französischen Soldaten, deren Kontingent nun verstärkt werden soll, seien nur im Land, um die eigenen Bürger zu schützen und nicht um in interne Machtkämpfe einzugreifen, hieß es aus Paris. Einzig Truppen aus Südafrika, die wiederum offiziell als Ausbildner für die Armee der Zentralafrikanischen Republik im Land sind, lieferten sich Kämpfe mit den Rebellen. Dabei wurden 13 südafrikanische Soldaten getötet, was bei der afrikanischen Regionalmacht für Entsetzen sorgte und sich noch als schwere Bürde für die neuen Machthaber in der Zentralafrikanischen Republik herausstellen könnte.
Die Seleka gab als Grund für ihren Aufstand an, dass sich Bozize nicht an Abmachungen gehalten habe - so wurden Rebellenkämpfer nicht wie vereinbart in die Armee integriert. Gleichzeitig geht es bei Machtkämpfen in dem Land, das seit seiner Unabhängigkeit 1960 schon einige Putsche erlebt hat, immer auch um Bodenschätze - und dabei vor allem um Diamanten, von denen der Staat reichhaltige Vorkommen besitzt.
Korrupte Eliten, bitterarme Bevölkerung
Wer an der Regierung sitzt, kann etwa Lizenzen für den Export der Diamanten vergeben und damit viel Geld machen. Gleichzeitig befeuert das Geschäft mit den Edelsteinen immer wieder Rebellionen, und das dürfte auch diesmal der Fall gewesen sein. Die Seleka kontrolliert schon lange Gebiete, in denen sich Minen befinden. Zudem sind einige Rebellen mit Diamantenhändlern verwandt, was die Vermutung nahelegt, dass Geld aus dem Diamantenhandel bei den Aufständischen landete.
Das Gros der Bevölkerung profitiert jedenfalls nicht von den Diamantvorkommen: Die Zentralafrikanische Republik ist weltweit einer der ärmsten Staaten, die Lebenserwartung liegt bei knapp über 40 Jahren. Im Land wütet die Malaria, während es kaum medizinische Versorgung gibt.
Die Korruption rund um den Diamantenhandel hat sich tief eingegraben - unabhängig davon, wer gerade an der Macht ist. Nicht nur deshalb zweifeln Beobachter, dass die Machtübernahme der Seleka auch der Bevölkerung etwas bringen wird. So soll die Seleka nicht einmal genügend kompetente Leute besitzen, um eine Regierung effizient zu führen. Zudem wurden die Rebellen vor allem durch den Kampf gegen Ex-Präsident Bozize zusammengehalten. Bald könnten ethnische Spannungen und der Kampf um einflussreiche Positionen zu Rissen in dem Bündnis führen. Als ein äußerst beunruhigendes Zeichen gilt auch, dass Seleka-Soldaten an den Plünderungen in Bangui beteiligt sind. Einige Kommandanten scheinen die Kontrolle über ihre Kämpfer verloren zu haben, die sich auch in Zukunft verselbständigen könnten.