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Umwelt: EU bricht ihr Versprechen

Von Michael Schmölzer

Europaarchiv

Neun der zehn EU-Beitritts- und-Kandidatenländer Mittel- und Osteuropas (CEE-Länder) haben nach einer gestern veröffentlichten Analyse der Europäischen Umweltagentur ihren Schadstoffausstoß ganz beträchtlich gesenkt und liegen damit besser als die EU-Länder selbst. Was aber nicht bedeutet, dass in diesen Ländern umweltfreundlicher produziert wird als in der EU.


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Schuld an diesem scheinbaren Widerspruch ist das System von Kyoto, das die Reduktion der Treibhausgase gewährleisten soll. Demnach befanden sich (Stand 2001) die CEE-Ländern zum Teil sehr deutlich unter dem "Fahrplan" zu Erreichung der im Kyoto-Protokoll festgeschriebenen Reduktionsziele - im Schnitt der Staaten waren sie um rund 36 Prozent niedriger als im Basisberechnungsjahr 1990.

Die EU-Staaten selbst können von solchen Reduktionszahlen nur träumen, sie werden das Kyoto-Ziel laut Umweltagentur kaum erreichen: Österreich lag 2001 um 9,6 Prozent über dem Wert von 1990, ist also von seinem ein Reduktionsziel von minus 13 Prozent 2008-2012 weit entfernt. Die gesamte EU hat sich zu einer Reduktion von acht Prozent verpflichtet, dürfte aber laut Prognose gerade ein Minus von 0,2 bis 0,5 Prozent erreichen. 2001 waren es EU-weit noch wenigstens minus 2,3 Prozent.

Beitrittsländer profitieren jetzt von ihrem KP-Erbe

Faktum ist jedenfalls: Die Gesamtemissionen der sechs für das Kyoto-Protokoll relevanten Treibhausgase wie etwa CO2 und fluorierte Industriegase sind in den meisten Ländern der CEE-Region in den neunziger Jahren der Statistik zufolge bedeutend zurückgegangen. Wer aber glaubt, dass in den Reformländern während der letzten Jahre besonders viel Gelder in Umweltschutz-Maßnahmen geflossen seien, der irrt. Unterm Strich ist der Ausstoß umweltbelastender Stoffe beispielsweise in der Tschechischen Republik viel höher als etwa in Österreich. Ausschlaggebend für die Kyoto-Vorgabe ist aber der Stand von 1990. Damals gab es in den jetzigen EU-Beitrittsländern noch die aus KP-Zeiten stammenden, berüchtigt umweltschädlichen Produktionsanlagen. Diese mussten in den folgenden Jahren aus Rentabilitätsgründen geschlossen werden.

EU wird ihr Kyoto-Ziel ziemlich deutlich verfehlen

Was die EU betrifft, kommt der Bericht der Umweltagentur jedenfalls zu einem vernichtenden Urteil: "Auf Basis der bisher national umgesetzten bzw. geplanten Programme und Maßnahmen werden die Europäische Union und viele ihrer Mitgliedstaaten die Ziele des Kyoto-Protokolls zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen verfehlen", so der triste Befund. Der Hauptgrund hierfür sei die "galoppierende Zunahme" der durch den Straßenverkehr verursachten Emissionen. Die neuesten Hochrechnungen zeigen, dass die aktuellen Programme und Maßnahmen die Gesamtemissionen der EU im Jahr 2010 lediglich bis auf 0,5 Prozent unter den Stand von 1990 zurückführen werden, wodurch das Kyoto-Ziel um 7,5 Prozentpunkte verfehlt werde.

Ganz anders stehen da - aus den genannten Gründen - die CEE-Länder da. Die Treibgas-Reduzierungen reichten von 60,8 Prozent in Lettland bis zu 17,8 Prozent in Ungarn.

Bleibt noch ein Ausweg: Der Handel mit Emissionsrechten. Dieser sieht vor, dass jene Staaten, die das in Kyoto vereinbarte Ziel sogar übertreffen, Emmissionszertifikate an "Sünder"-Staaten und -Firmen verkaufen dürfen. Diese Perspektive könnte sich für die EU-Beitrittsländer zu einem lukrativen Geschäft ausweiten, da die Zertifikate wie Aktien an einer Börse gehandelt werden sollen. Dass dabei auch Länder - wie etwa Tschechien - mit vergleichsweise hohen Emmissionsausstoß von Umweltbewussteren - etwa Österreich - profitieren, liegt in der Natur des in Kyoto vereinbarten Systems.