Die Volkskrankheit Bluthochdruck könnte bereits im Mutterleib entstehen - schädliche Umwelteinflüsse sind der Grund.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 5 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Wo die Mutter lebt und zu welcher Jahreszeit sie schwanger ist, wie sie sich ernährt, ob sie genug schläft, Sport betreibt und genug Wasser trinkt, oder aber während der Schwangerschaft dem Alkohol zuspricht und Zigaretten raucht: Lebensstil-Faktoren wie diese können die Gesundheit des Kindes maßgeblich beeinflussen.
Doch das ist nicht alles. Plastik, Weichmacher, Feinstaub, giftige Dämpfe oder Abgase - Menschen sind andauernd schädlichen Umwelteinflüssen und Chemikalien ausgesetzt, die die Entwicklung des Babys im Mutterleib negativ beeinflussen können. Das Ergebnis kann Bluthochdruck schon bei Kindern sein. Das berichtet ein Forschungsteam aus Spanien und den USA im "Journal of the American College of Cardiology". Bluthochdruck ist einer der bedeutendsten Risikofaktoren für die Gesamtsterblichkeit weltweit. Mindestens jeder dritte Erwachsene in Österreich ist betroffen.
Das Team unter Federführung des Instituts für Globale Gesundheit (ISGlobal) in Barcelona hat den Einfluss von insgesamt 200 endogenen und exogenen Umweltfaktoren, denen Kinder während der Schwangerschaft und Kindheit ausgesetzt sind, untersucht. Die Studie wurde im Rahmen des "Helix"-Projektes der EU durchgeführt. Es erfasst die Daten von Kohorten aus den europäischen Ländern Spanien, Frankreich, Griechenland, Litauen, Norwegen und dem Vereinigten Königreich in Bezug auf schädliche Umwelteinflüssen. Für "Helix" wurden insgesamt 31.472 Mutter-Kind-Paare während der Schwangerschaft ausgewählt. Untersucht wurden Biomarker im Blut, das Genom, die Interaktion von Zellen, Proteinen und Lipiden sowie die Stoffwechselvorgänge.
Das Forschungsteam um Charline Warembourg hat die Daten von 1277 Kindern und ihren Müttern im Detail analysiert. Umweltfaktoren, denen die Testpersonen ausgesetzt waren, wurden einerseits während der Schwangerschaft und andererseits bei den Kindern im Alter zwischen sechs und elf Jahren untersucht. Bei den Kindern wurden Blut- und Urinproben genommen und der Blutdruck gemessen.
Das Forschungsteam bewertete insgesamt 89 vorgeburtliche und 128 nachgeburtliche Umweltgefahren und teilte diese in drei Kategorien ein: Freiland (Luftverschmutzung, Wetterlagen, Grünraum), Chemie (Pestizide, Metalle, Plastik) und Lebensstilfaktoren (Ernährung, körperliche Bewegung, Schlafrhythmus). "Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Lebenraum, der Wohnort, die Ernährung, die Luft und die chemischen Verbindungen, die in den Körper eindringen, den Blutdruck bereits vor der Adoleszenz erhöhen können. Das ist auch deswegen wichtig, weil Kinder mit Bluthochdruck als Erwachsene anfälliger sind, hypertensive Krisen zu erleiden", wird Warembourg in einer Aussendung ihres Instituts zitiert. Eine hypertensive Krise ist eine plötzlich auftretende Fehlregulation des Blutdrucks im systemischen Kreislauf - und eine Notarztindikation.
Plastik und Kupfer
Einen Zusammenhang zwischen kindlichem Bluthochdruck und schädlichen Umwelteinflüssen während der Schwangerschaft konnten die Forscher insbesondere bei den chemischen Verbindungen Bisphenol-A, das in Plastikflaschen, Plastikspielzeug, Thermopapier oder in der Auskleidung von Konservendosen zum Einsatz kommt, und Perfluoroctansäure, die in Antihaft-beschichteten Pfannen, schmutz- und wasserabweisenden Teppichen, Textilien und Feuerlöschschaum verwendet wird, nachweisen. Auch Tabakrauch und Kupfer erwiesen sich als schädigend. Und selbst der Fischkonsum macht einen Unterschied: Wenn eine werdende Mutter weniger als zwei Mal wöchentlich Fisch isst, kann das laut den Forschern für das Baby ebenso schädlich sein wie mehr als vier Mal wöchentlich. "Fisch enthält essenzielle Fettsäuren, aber auch schädliche chemische Verbindungen", erklärt Warembourg den überraschenden Befund.
Höhere Außentemperaturen während der Schwangerschaft konnten die Forschenden hingegen mit einem niedrigeren Blutdruck bei Kindern in Verbindung bringen. Dass im Winter Geborenen schneller kalt wird, wäre somit kein Mythos mehr, sondern belegt.