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"Umwelt nicht seriös behandelt"

Von Marina Delcheva

Politik

Mitterlehner gegen Mineralölsteuer-Erhöhung. NGOs und EU plädieren für Öko-Steuern.


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Wien. "Wir haben uns keine Öko-Steuerreform vorgenommen", sagt Vizekanzler Reinhold Mitterlehner am Dienstag im Pressefoyer zum Ministerrat. Eine Erhöhung der Mineralölsteuer (MÖSt) auf Diesel, so wie in den Medien kolportiert, werde es nicht geben. Außerdem würden solche Maßnahmen nicht die Konjunktur beleben und die Arbeitnehmer entlasten. Öko-Steuern sind von Beginn an kaum Thema in der Steuerdebatte. Weder das Papier der Steuerreformkommission, noch die Steuerkonzepte von ÖVP und SPÖ enthalten konkrete Vorschläge in diese Richtung.

Auf der anderen Seite plädieren Umwelt-NGOs, die Grünen, aber auch zahlreiche Wirtschaftsexperten immer wieder für eine ökologische Komponente in der Steuerreform. Margit Schratzenstaller vom Wirtschaftsforschungsinstitut etwa bemängelt, dass die Regierung keine Diskussion darüber führe, umweltschädliches Verhalten höher zu besteuern und dafür die Lohnsteuern zu senken. Auch die EU-Kommission empfiehlt Österreich neben der Einführung von Erbschaftssteuern auch Umweltsteuern. Diese könnten helfen, "die Klima-Ziele bis 2020 eher zu erreichen. Österreich verfehlt die Treibhausgas-Ziele derzeit um sieben Prozentpunkte", heißt es im Kommissionsbericht.

Schenkt man außerdem einer GfK-Umfrage in Auftrag der Organisation Erneuerbare Energien Österreich Glauben, treffen höhere Ökosteuern auch bei der Bevölkerung auf Verständnis. 74 Prozent der Befragten gaben an, höhere Steuern auf Umweltbelastung zu befürworten, wenn Lohnnebenkosten und Haushalte entlastet werden.

MÖSt im EU-Schnitt niedrig

Österreich hebt verglichen mit anderen EU-Ländern weniger Öko-Steuern ein. Auch die MÖSt, etwa auf Diesel, ist hierzulande niedriger als in den meisten anderen EU-Staaten (siehe Grafik). Christian Gratzer vom VCÖ spricht sich für eine höhere MÖSt auf Diesel aus. "Welchen Grund gibt es, dass wir für Benzin mehr zahlen als für Diesel?", fragt er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Derzeit werden pro Liter Benzin 0,482 Euro eingehoben. Auf Diesel sind es 0,397 Euro. Das sei aus ökologischer Sicht deshalb nicht sinnvoll, weil Diesel mehr Stickstoffe und Feinstaub enthalte und damit umweltschädlicher als Benzin sei. Von den niedrigeren Dieselpreisen profitieren vor allem Lkw
und damit Frächter und Transportunternehmen. Eine Anhebung würde also weniger private Haushalte als Unternehmen treffen, die wiederum die ÖVP entlasten möchte.

Auch das Tanken ist hierzulande billiger als bei anderen EU-Nachbarn. Eine höhere MÖSt würde, auch angesichts des derzeit sehr niedrigen Erdölpreises, die Konsumenten wohl nicht sehr hart treffen. Der VCÖ spricht sich auch für eine Abschaffung der Steuerprivilegien auf Dienstautos und für eine Reform der Pendlerpauschale aus. Letztere würde eher Besserverdiener begünstigen. Laut VCÖ wird ein Fünftel der Pendlerpauschale von Personen mit einem Einkommen von über 50.000 Euro jährlich vor den Finanzbehörden geltend gemacht.

NGOs mit Steuerkonzept

Im Endspurt zur Steuerreform stellt am Dienstag auch eine Gruppe von Umweltorganisationen ihr Steuerkonzept vor. Global 2000, das Umweltbundesamt, Greenpeace, Eneuerbare Energie Österreich und der Senat der Wirtschaft haben ein fünf Milliarden Euro schweres Modell für Öko-Steuern erarbeitet. Dieses sieht etwa eine Erhöhung der MÖSt um acht Cent pro Liter vor, die 900 zusätzliche Millionen jährlich bringen soll. Außerdem sollen die Abgaben auf Flugtickets für Kurzstrecken (200 Millionen zusätzlich) und die Elektrizitätsabgabe (eine Milliarde zusätzlich) erhöht werden. Hinzukommen sogenannte CO2-Steuern, etwa auf Kohle, Erdgas oder Erdöl, und eine Baustoffsteuer.

Auf der anderen Seite sollen die Lohnnebenkosten um zwei Milliarden gesenkt werden, was wiederum Unternehmen entlasten würde. Zudem sollen alle Bürger einen sogenannten Öko-Bonus von 250 Euro jährlich bekommen. Die restlichen 20 Prozent der Einnahmen sollen in thermische Sanierungen, den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und in Zuschüsse gegen Energiearmut fließen. Der erhoffte Effekt: 17.400 zusätzlichen Arbeitsplätzen und eine CO2-Einsparung von 3,6 Millionen Tonnen jährlich.

"Wir haben unsere Vorschläge schon vor einem halben Jahr an die Expertenkommission übermittelt", sagt Johannes Wahlmüller von Global 2000. Er habe aber nicht den Eindruck, dass das Thema nicht seriös behandelt werde. Nach den Aussagen Mitterlehners scheinen eine Erhöhung der Mineralölsteuer und anderer ökologische Abgaben unwahrscheinlicher, wenn auch nicht gänzlich ausgeschlossen ist, dass sich die politischen Verhandler doch noch auf die eine oder andere ökologische Maßnahme einigen. Zumal jeder zusätzliche Steuer-Cent für die Gegenfinanzierung dringend gebraucht wird. "Es wäre schade, im Zuge der Reform, diese Chance zu verpassen", sagt Wahlmüller.