Kritik am Entwurf des neuen Umwelthaftungsgesetzes. | Betriebe können sich aus Verantwortung stehlen.
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Wien. Seit Wochen schäumt gelegentlich eine giftige Brühe auf der durch Österreich und Ungarn fließenden Raab. Der Feldbacher Bezirkshauptmann Wilhelm Plauder hat am Donnerstag bestätigt, deshalb gegen die oststeirische Lederfabrik ein Verfahren eingeleitet zu haben. Diese wird von Umweltschutzorganisationen und von ungarischen Behörden beschuldigt, neben anderen Lederfabriken der Region Verursacher dieses Schaumteppichs zu sein.
Nach derzeitiger Rechtslage werden Betriebe für solche Umweltsünden zur Verantwortung gezogen und zur Sanierung des Gewässers verpflichtet. Dies könnte sich aber, wenn die Regierungsvorlage zum neuen Umwelthaftungsgesetz ohne Abänderung vom Parlament beschlossen wird, ändern. Dann hätten laut Ferdinand Kerschner, Umweltrechtsprofessor an der Linzer Johannes Kepler Universität, betroffene Betriebe eine Möglichkeit, sich vor den Sanierungskosten zu drücken. Diese müsste somit der österreichischen Steuerzahler tragen.
Rechtslage umgedreht
Seit fast 100 Jahren kennt das österreichische Recht das Verursacherprinzip bei Umweltschäden. Demnach haften Betriebe für Verunreinigungen von Gewässern oder der Luft sowie bei der Zerstörung von Lebensräumen für Tiere, selbst wenn diese Verunreinigungen im Rahmen des behördlich genehmigten Normalbetriebs erfolgen.
2004 wurde von der EU eine für alle Mitgliedsstaaten geltende Umwelthaftungsrichtlinie beschlossen, die bis 30. April 2007 umgesetzt werden sollte. In den Erläuterungen dieses EU-Beschlusses heißt es: "Die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden sollte durch eine verstärkte Orientierung an dem im Vertrag genannten Verursacherprinzip und gemäß dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung erfolgen." Das neue Gesetz gibt genauere Anweisungen bezüglich der Sanierungsvorgaben und setzt auch stärkere Anreize in Richtung Vermeidung von Verschmutzungen. Neu ist, dass Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie Global 2000 und Betroffene (z.B. Anrainer) die Behörden zum Tätigwerden auffordern können.
Bisher erfolgte die Umsetzung der EU-Richtlinie nur in Litauen, Lettland, Italien und Deutschland. Österreich ist noch säumig. Im heurigen Februar wurde ein Ministerialentwurf zur Begutachtung weitergeleitet. Drei Monate später wurde allerdings im Ministerrat eine Regierungsvorlage vorgelegt, die "das Gesetz ins Gegenteil verkehrt und das jahrzehntelang in Österreich gültige Verursacherprinzip aushebeln würde - auch im Bereich Gentechnik" meint Werner Hochreiter, Umweltexperte der Arbeiterkammer Wien (AK).
Gegner formieren sich
Neben der AK und Kerschner von der Uni-Linz läuft auch die Umweltschutzorganisation Global 2000 Sturm gegen den Umweltgesetzesentwurf.
Im Gegensatz zum Ministerialentwurf wurden in der Regierungsvorlage sämtliche durch die EU-Richtlinie gedeckten Ausnahmen vom Verursacherprinzip aufgenommen: Schäden durch Dritte (Lieferanten, Arbeitnehmer, etc.), Schäden, die im Rahmen des behördlich genehmigten Betriebs erfolgen und Schäden durch Entwicklungsrisiko.
Diese Schlupflöcher stehen laut Hochreiter konträr zur bisherigen österreichischen Rechtspraxis, beispielsweise dem Verwaltungsrecht.
Die nunmehrige Regierungsvorlage sieht vor, dass in den Ausnahmefällen nicht der für den Umweltschaden verantwortliche Betreiber, sondern der Steuerzahler die Kosten für eine Sanierung zu tragen hat. Damit können sich Betriebe in fast allen Fällen aus der Verantwortung stehlen.
Das Unternehmen müsse zwar die Sanierung durchführen, könne sich aber die Kosten dafür im Regressweg zurückholen.
"Die Regierungsvorlage ist daher weder in sozialer, noch ökologischer, aber auch nicht in ökonomischer Sicht nachhaltig" so Kerschner. Statt dessen wurden nur "sehr kurzsichtige" Forderungen seitens der Wirtschaft im Regierungsentwurf berücksichtigt.