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Im Mittelpunkt der Klima-Diskussion steht der Mensch. Er greift seit mehr als 100 Jahren verstärkt in das Klimageschehen ein und gilt heute nach Meinung zahlreicher Wissenschaftler als Hauptverursacher der Klimaveränderung. So ist seit Beginn der Industrialisierung der CO2-Gehalt der Atmosphäre auf den höchsten Stand seit 400.000 Jahren gestiegen. Eine Tatsache, die nachdenklich stimmen und gleichzeitig zu aktivem Handeln anregen sollte, wie Teilnehmer und Preisträger des heute, Montag, in Wien stattfindenden Klimaforums 2003 übereinstimmend befinden.
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Wenn heute bei einem Festakt im Raiffeisenhaus Wien der Klimaschutzpreis vergeben wird, gibt es nicht wirklich einen Grund zum Feiern. Das Vorjahr war ein Jahr der vielfältigen Umweltkatastrophen und auch Österreich bekam seinen Teil ab. "Genau genommen gab es 2002 kein Risiko, das nicht eingetreten wäre. Beginnend mit großflächigen Frostschäden im Winter über Dürreschäden im Mai, gefolgt von schweren Hagelunwettern im Juni und Juli bis hin zu den verheerenden Überschwemmungen im August und den ersten Herbststürmen im Oktober und November traten alle erdenklichen Wetterrisiken ein", fasst Kurt Weinberger, Vorstandschef der Österreichischen Hagelversicherung und Preissponsor, die negativen "Klima-Highlights" des Jahres 2002 zusammen.
Weil das Wetter immer öfter aus der Reihe tanzt, hat die Hagelversicherung nach 2001 auch für das Jahr 2002 einen Preis für journalistische und wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Klimaschutz ausgeschrieben. Insgesamt wurden 24 Arbeiten eingereicht, 14 in der Kategorie Wissenschaft und zehn in der Kategorie Journalismus. Der Preis ist mit 6.000 Euro dotiert und wird gemeinsam mit EU-Agrarkommissar Franz Fischler und Landwirtschaftsminister Josef Pröll heute in Wien verliehen.
Bald Alpen ohne Schnee?
Preisträger in der Kategorie Wissenschaft ist das Autorenteam der Studie "Globaler Umweltwandel in alpinen Regionen: Erkennung, Wirkung, Adaption und Milderung" innerhalb des "Human Dimensions Programme Austria" der Karl-Franzens-Universität Graz.
Dieses internationale Programm wird in Österreich seit 1999 durchgeführt und zielt in drei Dimensionen: "Wir untersuchen, inwiefern die Menschheit von globalen Umweltänderungen betroffen ist, inwiefern sie sich anpassen muss und inwiefern sich der Umweltwandel einbremsen lässt", erklärt Karl Steininger, Volkswirt an der Universität Graz und einer der Leiter des Programms zur "Wiener Zeitung".
Die im November 2002 vorgestellte Studie hat eine Reihe bemerkenswerter Ergebnisse gebracht. "Weit deutlicher als bisher sind wir uns über die Temperaturveränderungen in den Alpen klar geworden", so Steininger. Die Folgen des Klimawandels zeigen sich besonders deutlich in den alpinen Regionen. Schon jetzt gibt es in den Wintersportgebieten immer weniger Schnee, Tourismus und andere Wirtschaftszweige leiden darunter.
"Bis 2050 dürfte sich die mittlere Schneelinie bei 3 Grad Erwärmung ab jetzt gerechnet um 300 bis 500 Meter nach oben verlagern", malt Steininger ein düsteres Bild für die Skigebiete. Regionen unter 1200 m Seehöhe seien besonders betroffen. "Bei drei Grad Erwärmung gibt es eine um 60 Tage kürzere Schneedecke", bringt Steininger die Studie auf eine einfachste Formel.
Österreich gilt in Sachen Klima in der europäischen Forschungslandschaft als Nachzügler. Steininger dazu: "Die Schweiz etwa ist uns da weit voraus." Für das Nachbarland errechnen Forscher einen Rückgang der Gletscher seit 1850 um 25 Prozent. Schmelzen die Gletscher weiter, so verliere Europa sein größtes Trinkwasserreservoir, warnen die Experten. Zwar sind nicht weniger Niederschläge zu erwarten. Da sie aber vermehrt als Regen auftreten und aufgrund der begrenzten Speicherkapazität der Böden schneller abfließen, steigt die Gefahr von Überschwemmungen. Auf die Folgen einstellen muss sich nicht zuletzt die Elektrizitätswirtschaft, da sich die Wassermenge in den Stauseen jahreszeitlich anders verteilen wird.
An Handlungsbedarf nennt Steiniger ein Forcieren der Klimaforschung im Land, wobei neben der naturwissenschaftlichen Perspektive auch die sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Implikationen zu beachten seien.
Konkret nennt er etwa mehr Bedacht beim Einsatz von Lawinenkommissionen. "Derzeitige Kommissionen sind oft lokal besetzt und müssen aus wirtschaftlichen Gründen argumentieren. Hier gilt es eine überregionale Mannschaft zu finden und die Entscheidungen auch zu veröffentlichen", so Steininger.
Von Österreich bis zum Amazonas
Das "Human Dimensions Programme Austria" fokussiert auch auf die Auswirkungen des Verkehrs auf Klima und Umwelt. Als Transitland gibt es in Österreich in dieser Hinsicht besonderen Handlungsbedarf. "Mit Autobahnmaut und Road Pricing ist zwar ein erster Schritt getan, viele weichen aber auf andere Straßen aus", sagt Steininger und wünscht sich eine flächendeckende Besteuerung wie in der Schweiz. Vorschläge haben die Studienautoren auch hinsichtlich der Verkehrsträger. Steininger: "Im Buch zeigen wir auf, wie man bis zu 80 Prozent der Emissionen einsparen kann".
Als Beispiele nennt er die Forcierung von Brennstoffzelle und Sonnenenergie, die Änderung der Prüfverfahren bei den LKW, eine Verbesserung des Verkehrsmanagements und eine andere Raumplanung.
Zweiter "Klimaschutz-Preisträger" ist Mark Perry. Als Journalist hat er einen etwas anderen Zugang zum Thema: "Für mich ist die Natur auch etwas Spirituelles, mir geht es um die Harmonie der Schöpfung", sagt Perry. Für seine Ideale kämpft Perry journalistisch nun schon seit 18 Jahren. Dabei sei er nicht selten am resignieren, wie er sagt. Viele - wenn auch noch so kleine - Erfolge geben seinem Engagement aber Recht. "Mir ist eine kleine Lacke im Pielachtal ebenso wichtig wie der Amazonas", stellt er fest und führt das von ihm mitbegründete Esquinas-Urwald-Projekt in Costa Rica an.
Für Österreich wie für den Amazonas relevant, sind die Prognosen von Mojib Latif, Professor für Meteorologie an der Universität Kiel, der bei der heutigen Veranstaltung auch einen Vortrag halten wird ("Klimawandel und Landwirtschaft aus der Sicht eines Klimaexperten"). "Wir erwarten in Folge der globalen Erwärmung eine Zunahme von Wetterextremen, insbesondere von Starkniederschlägen und Hagelschauern", berichtete Latif im Vorfeld. Dies werde sich auch negativ auf die Landwirtschaft auswirken, ergänzt er in Anlehnung an Weinbergers Ausführungen.
Regional seien die Niederschlagsänderungen sehr verschieden, so Latif. Generell fällt mehr Niederschlag in hohen Breiten und in Teilen der Tropen, während die regenärmeren Subtropen noch weiter austrocknen. Damit vergrößern sich die Unterschiede zwischen den feuchten und den trockenen Klimaten auf der Erde.
Diese Aussage gelte auch für das Klima in Europa, weiß Latif. Allerdings mit starken Unterschieden zwischen Sommer und Winter: "Während der Sommerniederschlag fast überall in Europa abnimmt, wird im Winter ein ausgeprägtes Nord-Süd-Gefälle mit einer Abnahme im niederschlagsarmen Südeuropa und einer Zunahme im niederschlagsreichen Mittel- und Nordeuropa vorhergesagt", konkretisiert der Klima-Experte. Auffällig sei eine Häufung von Starkniederschlägen sowohl im Winter wie auch im Sommer und damit eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von Überschwemmungen.
Josef Pröll: Landwirtschaft dreifach betroffen
In Österreich ist und bleibt das Wetterrisiko Nummer 1 der Hagel. Laut einer Studie der Münchner Rückversicherung liegt Österreich in einem Hagelzentrum. "Tatsache ist, dass die Hagelintensität ansteigt", so Weinberger. In den Monaten Juni, Juli und August ist statistisch an jedem zweiten Tag mit einem Hagelgewitter zu rechnen. Im Jahr 2002 erlitt die österreichischen Landwirtschaft auf etwa 100.000 ha wetterbedingte Schäden von mehr als 50 Mill. Euro.
Schäden vorzubeugen, ist auch das Anliegen von Josef Pröll, dem neuen Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft. Er weist gegenüber der "Wiener Zeitung" auf die dreifache Rolle der Land- und Forstwirtschaft hinsichtlich des Klimas hin. Sie sei Betroffene und Verursacher in einem und könne zudem einen positiven Beitrag zum Umweltschutz leisten. "Durch extensivere Bewirtschaftungsformen, wie sie in unserem agrarischen Umweltprogramm ÖPUL festgeschrieben sind, hat die Landwirtschaft einige Möglichkeiten, das Reduktionspotential zu nutzen", meint Pröll. Chancen gebe es bei der Biogasnutzung zur Reduktion des Methanpotentials wie im Bereich erneuerbarer Energieträger, wobei die Bandbreite von der klassischen Hackschnitzelheizung bis in den Energie- und Treibstoffsektor reiche. Interessant sei auch die Stellung der Forstwirtschaft mit der Nutzung der Biomasse oder dem Ersatz kurzlebiger Massengüter durch langlebige Holzprodukte einerseits und der Wirkung des Waldes als Kohlenstoffsenke andererseits, erläuterte der Minister.
"Keine Experimente mit unserem Planeten"
"Wenn wir heute die Weichen für eine nachhaltige Entwicklung stellen, dann ist dies auch in ökonomischer Hinsicht sinnvoll", plädiert Wissenschaftler Latif auch im Sinn der Wirtschaft für Vorsorge statt Schadensbegleichung. Die Dimension der Schäden der Elbe-Flut habe dies etwa deutlich vor Augen geführt. "Darüber hinaus sollten wir nicht mit unserem Planeten experimentieren, da die Vergangenheit immer wieder gezeigt hat, dass vielerlei Überraschungen möglich sind. So wurde etwa das Ozonloch über der Antarktis von keinem Wissenschaftler vorhergesagt, obwohl die ozonschädigende Wirkung der FCKWs bekannt war. Das Klimasystem ist ein nichtlineares System, das bei starken Auslenkungen für uns alle verblüffende Lösungen bereithalten kann", warnt Latif.
Die Klimaschutz-Preisträger
Den Klimaschutzpreis der Österreichischen Hagelversiche erhalten das Autorenteam der Studie "Globaler Umweltwandel in alpinen Regionen: Erkennung, Wirkung, Adaption und Milderung" (Kategorie Wissenschaft), "Human Dimensions Programme Austria" der Karl-Franzens-Universität Graz (Univ. Prof Karl Steininger, Univ. Prof Lutz Beinsen, u.a.) sowie Mark Perry von der Neuen Kronen Zeitung (Kategorie Journalismus).
"Kyoto-Fortschrittsbericht": Österreich im Rückstand
Der aktuelle "Kyoto-Fortschrittsbericht Österreich" klingt nicht sehr erfreulich. Laut dem am 5. März 2003 vom Umweltbundesamt veröffentlichten Report sind wir der geplanten 13 Prozent-Reduktion der österreichischen Treibhausgase bis zum Jahr 2010 im aktuellen Inventurjahr 2001 nicht näher gekommen.
Die gesamten Treibhausgasemissionen (THG) 2001 dürften 9,6 Prozent über dem Wert des Basisjahres 1990 liegen. Insbesondere stiegen die CO2-Emissionen aus der Energiewirtschaft, dem Verkehr und dem Kleinverbrauch. Wichtige Faktoren in diesem Zusammenhang sind die erhöhte Kohleverbrennung in den Kraftwerken, ein abermals starker Anstieg des Kraftstoffverbrauchs und die kalte Witterung im Vergleich zum Jahr 2000. Die energiebedingten Emissionen der Industrie sind hingegen gesunken, was auch auf die schlechtere Konjunktur zurückzuführen ist.
Zwischen 1990-2001 verzeichnete der Verkehr den stärksten Zuwachs in absoluten Zahlen. Zwischen 1990 und 2001 stiegen die CO2-Emissionen dieses Sektors von 12,7 auf 18,9 Mill. Tonnen, ein Anstieg um 48 Prozent.
Weiterführende Information:
Studie "Global Environmental Change in Alpine Regions", Hg. Karl Steininger, Hannelore Weck-Hannemann 2002 http://www.kfunigraz.ac.at/vwlwww/steininger
Österreichische Hagelversicherung: http://www.hagel.at ; Tel.: (01) 403 16 81-66
Gugele B., Huttunen K., Ritter M.: "Kyoto-Fortschrittsbericht Österreich", Wien 2003