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Dschihadisten-Ring um Israel zieht sich enger zu.
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Jerusalem/Kairo/Amman/Wien. Für das offizielle Israel ist und bleibt der Iran die größte Bedrohung im Nahen Osten - Premier Benjamin Netanjahu reiste jüngst eigens nach Washington, um dort vor dem Kongress lautstark gegen einen Atomdeal mit dem Schiitenstaat zu wettern. Präsident Barack Obama fühlte sich brüskiert, nicht so sehr deshalb, weil er über die geplante Visite nicht eingeweiht war, was an und für sich schon ein Affront war, sondern weil die israelische Regierung damit demonstrativ Obamas Nahost-Strategie konterkarierte.
Sie fokussiert darauf, dem Vormarsch der sunnitischen Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) und den Dschihad-Milizen der Al-Kaida-nahen Al-Nusra-Front Einhalt zu gebieten. Teile des Irak und Syriens brachten diese Kräfte bereits unter ihre Kontrolle. Erst am Dienstag eroberten Al-Nusra-Kämpfer die Stadt Idlib von der syrischen Armee zurück. Mit Luftschlägen und dem Austrocknen finanzieller Ressourcen will Obama im Rahmen der von Washington geführten internationalen Anti-IS-Koalitionverhindern, dass der Flächenbrand auf die übrigen Länder in der Region übergreift.
Vor allem nach Jordanien. Israels Nachbar gerät zunehmend in den Zangengriff: Am Donnerstag eroberten von der Al-Nusra-Front unterstützte Islamisten den letzten von Bashar-al-Assads Truppen gehaltenen Grenzposten zu Jordanien. Die syrische Armee zog sich von dem Posten Nassib zurück.
Auch an Israels Südwestflanke nehmen Anschläge von Dschihadisten zu, die dem IS ihre Treue geschworen und dem säkularen Regime von Präsident Al-Sisi in Kairo den Krieg erklärt haben. Bei fünf nahezu gleichzeitig erfolgten Angriffen auf Armeeposten in Cheikh Zuwaidund Rafah im Nordosten der Sinai-Halbinsel starben am Donnerstag mindestens 15 Sicherheitskräfte und zwei Zivilisten. 15 der mit automatischen Waffen und Granatwerfern ausgerüsteten Angreifer wurden nach ägyptischen Polizeiangaben ebenfalls getötet. In Rafah befindet sich der wichtigste Grenzübergang in den von Israel besetzten Gazastreifen.
Im Norden Israels, auf der syrischen Seite der Golanhöhen, haben sich radikalislamische Gruppen, die der Al-Nusra nahestehen, ebenfalls festgesetzt. Bis auf ein paar Granaten-Irrläufer gab es bisher aber keine islamistischen Störfeuer.
Brisanter ist die Lage in Jordanien. Zwar ist das pro-westliche arabische Land unter seinem König Abdullah II. bisher von den Umwälzungen des Arabischen Frühlings relativ wenig berührt worden. Doch politisch brodeln tut es auch dort, wie der Oppositionsboykott bei den letzten Wahlen zeigte. Vor allem im armen Süden wächst die Zahl der Anhänger von IS und Al-Nusra. Auch bei den Palästinensern, die mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Königreichs stellen, stößt die Idee, einen sunnitischen Gottesstaat zu gründen, der auch Israel verschlingt, angesichts des seit Jahrzehnten ungelösten Nahost-Konflikts auf immer größere Sympathien. Viele Jordanier hatten sich dem IS-Krieg angeschlossen. Israel muss nun fürchten, dass radikalisierte Kriegsheimkehrer versuchen, den Terror über die Grenze zu bringen. Mehrere Verdächtige wurden bereits von Sicherheitskräften abgefangen.
Die Regierung in Tel Aviv erwägt inzwischen den Bau eines Sicherheitszauns entlang der 370 Kilometer langen Grenze - zumal diese seit gestern von Al-Nusra und ihren Verbündeten kontrolliert wird. Dass die nächste Station ihres Feldzuges Jordanien könnte heißen könnte, halten Konfliktforscher des US-Beratungsunternehmens Stratfor durchaus für realistisch. "Die Absicht des IS, nach Jordanien zu expandieren, entspricht der geopolitischen Logik" des IS. Denn das Land sei "die einzige weitere Öffnung, die IS derzeit nutzen kann", schreibt Statfor. Die "Befreiung Jerusalems" hingegen rangiert auf der To-do-Liste des IS derzeit wohl nicht an vorderer Stelle. Zunächst gelte es, die arabisch-muslimische Welt neu zu ordnen, meint Nahost-Experten Karin Leukefeld. Doch irgendwann dürfte auch Israel ins Visier der Dschihadisten- Internationale geraten.