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UN-Konvention gegen Kriminalität

Von Irene Freudenschuß

Politik

Einen wichtigen neuen Anlauf in der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität nahm die internationale Staatengemeinschaft mit der ersten offiziellen Verhandlungsrunde zu einer globalen | Konvention, die vergangenen Freitag in Wien zu Ende ging. Nach informellen Vorbereitungstreffen in Warschau, Rom, Buenos Aires und Wien lag der Entwurf eines internationalen Vertragswerkes vor, das | die Zusammenarbeit der Staaten bei der Verhütung, Aufklärung und Strafverfolgung von schweren Verbrechen, die organisierte kriminelle Gruppen involvieren, wesentlich intensivieren soll.


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Der Konventionsentwurf enthält umfangreiche Bestimmungen zu Auslieferung und wechselseitiger Rechtshilfe, Bekämpfung von Geldwäsche, Konfiskation von Vermögenswerten, Zeugenschutz und Maßnahmen

zur Verbesserung der Zusammenarbeit der Rechtsdurchsetzungbehörden.

Die Vertragsparteien sollen einander ihre aktuellen Analysen mit Bezug auf organisierte Kriminalität zur Verfügung stellen. Ausbildungsprogramme für die Rechtsdurchsetzer sollen entwickelt und

technische Hilfe geleistet werden. Vertragsparteien sollen "so weit als möglich soziale, rechtliche, administrative oder technische Gelegenheiten reduzieren, die es organisierten verbrecherischen

Gruppen ermöglichen, gewinnbringend Verbrechen zu begehen und Umstände, die sozial marginalisierte Gruppen anfällig für eine verbrecherische Laufbahn machen könnten, verbessern."

Der Vollzug der Konventionsverpflichtungen soll auf geeignete Weise international überprüft werden, wobei der in Wien angesiedelten UN-Einheit für Verbrechensverhütung unter Generaldirektor Pino

Arlacchi eine wichtige Rolle zukommen sollte.

Die Konvention soll durch drei Zusatzprotokolle erweitert werden. Diese Zusatzprotokolle sollen sich auf Handfeuerwaffen (ein Vorschlag Kanadas), das Schlepperunwesen und den Frauen- und Kinderhandel

beziehen. Die beiden erstgenannten Protokolle wurden in den Verhandlungen erstmalig erörtert. Zum Frauen-und Kinderhandel liegen zwei unterschiedliche Entwürfe von den USA und von Argentinien vor,

die bis zur nächsten Verhandlungsrunde zu einem gemeinsamen Projekt zusammengefaßt werden sollen.

Schlepper-Unwesen

Der von Österreich und Italien gemeinsam eingebrachte Textvorschlag für ein Protokoll gegen das Schlepper-Unwesen geht auf eine Initiative von Vizekanzler Wolfgang Schüssel bei der UN-

Generalversammlung 1997 zurück, durch die das Schlepper-Unwesen auf die internationale Tagesordnung gesetzt wurde. Stoßrichtung des Protokolls ist die Bekämpfung der Schlepperei, nicht die Verfolgung

von Migranten und Migrantinnen. Das Hauptziel ist, eine internationale Verpflichtung für die Staaten einzuführen, die Schlepperei in ihren nationalen Gesetzgebungen als strafrechtlichen Tatbestand

vorzusehen. Die Bestimmungen der Konvention · von Rechtshilfe bis Auslieferung, von Informationsaustausch bis technischer Zusammenarbeit · sollen damit auch zur Bekämpfung der Schlepperei zu Wasser,

Land und in der Luft zum Tragen kommen können. Sonderbestimmungen sind für die Schlepperei zur See vorgesehen.

In der Diskussion zeigte sich, daß es für den Erfolg der österreichisch-italienischen Initiative wichtig sein wird, die ursprüngliche Stoßrichtung beizubehalten und das Protokoll nicht auf

Migrationsfragen generell auszuweiten. Eine gewisse Tendenz dazu zeigten u. a. Vertreter der afrikanischen Gruppe; sie wiesen daraufhin, daß in ihrer Sicht restriktive Visa-Bestimmungen der

Einwanderungsländer den Boden für Schlepperei bereiten und forderten Freizügigkeit der Personen. Auch alternative Formulierungsvorschläge der USA und Kanadas, die u. a. die Verpflichtung der

Ursprungsstaaten vorsehen, MigrantInnen, die Opfer von Schleppern wurden, zurückzunehmen, gingen in die Richtung der Ausweitung des Protokolls.

Feuerwaffen-Protokoll

Das Feuerwaffen-Protokoll will die Staaten verpflichten, die unerlaubte Erzeugung und den unerlaubten Handel mit Feuerwaffen und Munition in ihrer jeweiligen Gesetzgebung als strafrechtlichen

Tatbestand einzuführen. Wichtige Bestimmungen beziehen sich auf die Kennzeichnung, Registrierungen, Export-, Import- und Transit-Lizenz-Systeme sowie Beschlagnahme und Verhinderung der Reaktivierung

beschlagnahmter Waffen.

Das von den USA vorgeschlagene Protokoll soll die Zusammenarbeit der Vertragsparteien bei der Verhütung, Untersuchung und Verfolgung von Menschenhandel zum Zweck der Zwangsarbeit, Prostitution oder

anderweitigen sexuellen Ausbeutung fördern und erleichtern. Besonders soll auf den Schutz von Frauen und Kindern geachtet werden, die häufig Opfer von organisiertem Verbrechen sind. Laut Schätzungen

des UN-Zentrums für Internationale Verbrechensverhütung in Wien werden jährlich Millionen Menschen Opfer des Menschenhandels. Neben der Verstärkung der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit

sollen die Staaten auch Sozialprogramme zur Prävention des Menschenhandels vorsehen. Der argentinische Protokollvorschlag geht im wesentlichen in die selbe Richtung.

An den Verhandlungen nahmen rund 400 Delegierte aus 90 Ländern teil. Die Diskussionen verliefen weitgehend sachlich, technisch und konstruktiv. In einem politischen Statement am letzten Konferenztag

wiesen die Entwicklungsländer allerdings auf einige grundsätzliche Schwierigkeiten hin. Der Sprecher der G 77 beklagte, daß nur wenige Entwicklungsländer und nur zwei der am wenigsten entwickelten

Länder bei den Verhandlungen vertreten waren, und auch das nur durch Vertreter ihrer Wiener Missionen, die natürlich nicht über das technische Detailwissen von internationalen Strafrechtsexperten

verfügen können. Die Beteiligung sei so gering, weil keine Geldmittel für die Teilnahme von Vertretern der Dritten Welt · wie bei solchen Konferenzprozessen üblich · zur Verfügung gestanden habe.

Kostspielige Maßnahmen

Der Sprecher der G-77 wies dann auf ein noch gravierenderes Problem hin: die in Konvention und Protokollen vorgesehenen Maßnahmen sind (personal)kostenintensiv und verlangen eine technisch

hochentwickelte Infrastruktur. Daß diese aber in vielen Entwicklungsländern nicht gegeben ist, wurde allen Konferenzteilnehmern spätestens dann klar, als es in der Diskussion um Spezielle

Fahndungsmethoden darum ging, gewisse Daten elektronisch bereitzuhalten, und ein Delegierter aus einem Entwicklungsland einwandte, daß die Behörden seines Landes über keine Computer verfügten . . .

Auch ist die beste Prävention gegen die Anfälligkeit für Organisiertes Verbrechen soziale Gerechtigkeit, gesellschaftliche Stabilität, Rechtsstaatlichkeit und nachhaltige Entwicklung · auch davon

sind wir, global betrachtet, weit entfernt. Die Hürden, die noch genommen werden müssen, sind beachtlich. Aber ein Anfang ist gemacht. Die Verhandlungen werden im März fortgeführt. Weitere Runden

sind für April, Juni und Oktober geplant, alle in Wien.

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Dr. Irene Freudenschuss ist die Ständige Vertreterin Österreichs bei den Vereinten Nationen in Wien