Militärschlag bleibt Option - Russland gegen "Automatismus" - Moskau dementiert Einigung.
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New York. Anfang September schien ein Angriff der USA auf Syrien zum Greifen nah - stattdessen rauchen jetzt die Köpfe an New Yorker Verhandlungstischen. Es geht um eine Resolution, die festlegt, mit welchen Konsequenzen Bashar al-Assad zu rechnen hat, sollte er bei der Vernichtung seiner Chemiewaffen nicht mit der internationalen Gemeinschaft kooperieren. Die Kernfrage, um die seit Tagen gestritten wird, lautet: Befürwortet der UN-Sicherheitsrat in diesem Fall die Anwendung von Gewalt oder nicht. In der Nacht auf Donnerstag ließen Diplomaten wissen, dass man sich auf den Kern einer Resolution bereits geeinigt habe. Russland dementierte umgehend: Das sei reines westliches Wunschdenken, in zentralen Fragen gäbe es noch keine Einigung.
Kein Durchbruch
Am Donnerstag war klar: Die Verhandlungen über eine Zerstörung des syrischen Chemiewaffenprogramms gehen voran, ein Durchbruch ist aber noch nicht erzielt. Dass es schon heute, Freitag, zur Abstimmung kommt, ist nicht wahrscheinlich. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat die Außenminister der fünf UN-Vetomächte ermahnt, möglichst rasch eine UN-Resolution unter Dach und Fach zu bringen.
Russlands Vize-Außenminister Gennadi Gatilow meinte, er gehe jetzt von einer Einigung in den nächsten zwei Tagen aus. Ein Abrüstungsplan existiert bereits, er wurde zwischen Russlands Außenminister Sergej Lawrow und seinem US-Kollegen John Kerry in Genf ausverhandelt. Allerdings einigte man sich hier vor allem auf den technischen Ablauf der Aktion, die großen politischen Fragen wurden bewusst ausgespart.
Zahnloser Beschluss
Moskau will verhindern, dass die UNO einen Militärschlag gutheißt, die westlichen UN-Sicherheitsratsmitglieder USA, Frankreich und Großbritannien verlangen das unbedingt. Doch nun haben sich beide Seiten bewegt. Jetzt sieht es so aus, als ob der Resolutions-Text einen Hinweis auf Kapitel 7 der UN-Charta enthält. Hier geht es um "Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen". Interessant ist vor allem Artikel 42, der im Notfall Militärschläge vorsieht. Russland will aber keinem Automatismus zustimmen. Das heißt, selbst wenn sich Syrien nicht an die Beschlüsse hält, wäre eine weitere Resolution des Sicherheitsrats notwendig, bevor die USA militärisch gegen das Regime in Damaskus vorgehen dürften.
Der deutsche Nahost-Experte Guido Steinberg, der am Donnerstag einen Vortrag im Bruno-Kreisky-Forum hielt, geht jedenfalls von einer eher zahnlosen UN-Resolution aus. Demnach sei es "sehr wahrscheinlich", dass ein künftiger Beschluss des UNO-Sicherheitsrates keine militärischen Sanktionen androhen werde. "Ich denke, dass sich das Veto das Russen durchsetzen wird", so Steinberg im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Neben Moskau habe Assad im Iran einen starken Verbündeten: "Nahezu täglich kommen iranische Transportflugzeuge in Damaskus an, um Assad mit Rüstungsgütern zu unterstützen", so der Wissenschafter.
Das syrische Regime hat bereits vor Tagen angekündigt, dass man sich jeder UN-Resolution unterwerfen werde. In Damaskus rechnet man damit, dass Moskau, der engste Verbündete Assads, einen Militärschlag rechtzeitig verhindern wird. Das hat Assad selbst in einem Interview mit dem chinesischen Staats-TV zum Ausdruck gebracht.
Unterdessen sind UN-Inspektoren unter Leitung von Åke Sellström ein zweites Mal nach Syrien gereist, um Spuren eines Giftgas-Einsatzes zu sichern. Für den Westen ist klar, dass Assad hinter dem Angriff steckt, Moskau bezichtigt allerdings die Rebellen der Tat. Ob ein weiterer UN-Bericht hier Klarheit schaffen kann, bleibt abzuwarten.
Russland hat angeboten, die Zerstörung der syrischen Chemiewaffen zu überwachen. "Falken" wie der US-Senator John McCain kritisieren, damit würde man den Bock zum Gärtner machen.