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Zuerst im ORF und auf 3sat Geist und Provokation auf hohem Niveau. Man berichtete Dienstagabend über Imre Kertesz und Christoph Schlingensief, deren Auftritte und Tätigkeiten in Wien. Danach, bei ATVplus, geistfreie Provokation samt Erklärungshilfe. Tadellos zwischendurch die neue "ZiB"-Sport-Lady Veronika Slupetzky. Ein Einstieg nach Maß. Nur ihr "Bleiben Sie dran" zum Abschied zeigte uns einmal mehr den Abstieg des ORF zum austauschbaren Publikumskeil-sender. Damit zurück zu ATVplus.
Die Reihe nennt sich "Tausche Familie" und gehört zum Format der - nennen wir das Kind doch gleich beim verräterischen Namen - Tatsachenseifenoper. Zum Ausrutschen also, und für unser eher kultiviert-zartes Gemüt zum Ausrasten . . . wenn da eine stadionbekannte Familie über türkische Annäherungsversuche herfällt wie Aasgeier über ein lebendiges Stück Wild. Natürlich und Gott sei Dank nur verbal. Doch was heißt hier "nur". Dass am Beginn zur physischen die wortwörtliche Gewalt steht, der Übergang schmal und die verbal zelebrierte oft viel grausamer ist, weil sie endlos fortgesetzt werden kann, wurde einem hier wieder einmal klar. Kurzum: Der grausige Spruch aus metallverzierten Köpfen und tätowierten Körpern rennt, die "Kanaken"-Beleidigung, gepaart mit dem Wunsch, "in Ruhe rauchen zu wollen", kulminiert im aggressiv hingerotzten Bekenntnis des Proleten jun.: "Glaubst, i les a Biachl?" Schade, dass die hochkarätige Diskussionsrunde danach diesen Schlüsselsatz nicht aufgegriffen hat. Wir konnten, angewidert und geschockt, vor allem Falter-Chef Thurnher, Kinderanwältin Pinterits und auch ATVplus-Boss Prenner in ihren Kommentaren folgen, halten uns von derlei aber in Zukunft so fern wie von lauwarmem, gezuckertem Alkohol aus den einschlägigen Hütten in der Vorweihnachtszeit.