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"UN-Strafen treffen die Falschen"

Von WZ-Korrespondent Arian Faal

Politik

Regierung fordert Schulterschluss. | Opposition in der Zwickmühle. | Paris/Teheran. Ob beim Bäcker, in der U-Bahn oder beim Mechaniker - überall spricht man im Iran über die neuen Sanktionen und den ersten Jahrestag der zweiten Amtszeit von Hardliner-Präsident Mahmoud Ahmadinejad am Samstag.


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Selbst der 75-jährige Schneider Masoud aus dem Teheraner Stadtteil Baharestan, der eigentlich nichts mit Politik am Hut haben will, kann es sich bei seinem alltäglichen Einkauf im Supermarkt nicht verkneifen, einen Kommentar zur derzeitigen Debatte rund um sein Land abzugeben. "Wissen Sie es schon, der UN-Sicherheitsrat hat die neuen Sanktionen gegen uns beschlossen, und was das heißt, ist klar: Wir, die Bevölkerung, werden die Leidtragenden sein. Bald wird alles noch teurer werden. Ich sehe wirtschaftlich düsteren Zeiten entgegen, die ich nicht mehr erleben möchte", meint er resignierend zum Verkäufer. Der nickt. "Auch wenn die Strafmaßnahmen an den richtigen Adressaten gehen, sind die falschen, nämlich wir arme Leute, die Leidtragenden. Das ist das Gegenteil von dem, was man erreichen will, und das Land wird weiter isoliert", ergänzt er.

Die iranische Führung sieht das ein bisschen anders. Präsident Ahmadinejad meinte in einer ersten Stellungnahme, dass die Sanktionen "für den Müll" seien, und zeigte sich unbeeindruckt. Nach der Kritik aus dem Westen will das Regime eines auf jeden Fall verhindern: einen neuerlichen Aufmarsch der iranischen Opposition, der sogenannten "grünen Welle".

Einschüchterungen vor Regierungsjubiläum

Damit dies zum heutigen Freitagsgebet und auch zum morgigen Festakt anlässlich des Amtsjubiläums Ahmadinejads nicht passiert, haben die paramilitärischen Einrichtungen umfassende Maßnahmen getroffen. Droh-SMS warnen die Iraner ausdrücklich davor, "an feindlichen Kundgebungen teilzunehmen". In allen iranischen Großstädten herrscht verstärkte Polizei- und Militärpräsenz, und in Planquadraten an den Hauptverkehrsknotenpunkten werden immer wieder vorwiegend junge Menschen verhaftet.

Parallel dazu hat der Staatsapparat seine Anhänger mobilisiert, an den Feierlichkeiten zum Jahrestag der Wiederwahl des Präsidenten teilzunehmen. Staatliche Bedienstete müssen sogar die Kundgebungen besuchen. Während Teile der Opposition aus Angst auf Demonstrationen verzichten wollen, rufen andere Gruppen zum "friedlichen Protest gegen diese nicht legitimierte Regierung" auf.

Revolutionsgarden im Fokus der Sanktionen

Wie ernsthaft die Führung rund um das geistliche Oberhaupt des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, wegen der neuen Maßnahmen und der befürchteten Ausschreitungen besorgt ist, zeigt die Tatsache, dass der nationale Sicherheitsrat bereits eine Sondersitzung einberufen hat, um die aktuelle Lage des Landes zu diskutieren. Eines kristallisiert sich bereits heraus: Dass die Schlinge um den iranischen Wirtschaftshals fortan empfindlich enger gezogen wird, bezweifeln nicht einmal mehr Regierungsmitglieder. Denn wenn Firmen wie Renault oder Peugeot, Babcock-Borsig oder Nokia Geschäfte mit den Persern machen wollen, kommen sie an den Revolutionsgarden nicht vorbei. Und die stehen jetzt erstmals im Fokus der UN-Sanktionen.

Die nun verabschiedete Resolution sieht vor, dass gegen die Mitglieder der Revolutionsgarden, die sogenannten Pasdaran, und deren Firmenangestellte ein Reiseverbot verhängt wird. Zudem sollen zahlreiche Konten gesperrt sowie Handelsbeschränkungen erlassen werden. Genau diese einflussreichen Paramilitärs, die eigentlich die Islamische Republik schützen sollen und für die brutale Niederschlagung der Proteste nach der Präsidentschaftswahl verantwortlich sind, sind auch die Großunternehmer des Iran. Dies wird die Geschäfte mit dem Iran künftig erheblich erschweren und eine Teuerungswelle sondergleichen zur Folge haben. Denn die Pasdaran verfügen über ein gigantisches Firmenimperium, sind in nahezu allen Bereichen der iranischen Wirtschaft aktiv und arbeiten praktischerweise engstens mit der Staatsführung zusammen.

Mobilisierung beim Freitagsgebet

Wenn man bedenkt, dass die Arbeitslosigkeit inzwischen bei zirka 35 Prozent liegt und die iranische Währung durch die ständig steigende Inflation laufend an Wert verliert, wird klar, warum die Regierung beim heutigen Freitagsgebet versucht, die Massen zum "Kampf gegen den Raub nationaler Rechte des Iran" zu mobilisieren und Einheit zu fordern.

Insofern befindet sich die grüne Bewegung rund um die beiden Oppositionsführer Mir Hossein Moussavi und Mehdi Karroubi derzeit in einer misslichen Lage. Sollen sie sich gegen die Führung des Landes positionieren und sich somit auf die Seite des Westens stellen oder einen Schulterschluss aller Perser, wie ihn die Regierung fordert, unterstützen und somit ihre Oppositionsrolle obsolet machen? Da scheiden sich innerhalb der Opposition noch die Geister.

Ob die Sanktionen grundsätzlich innen- und außenpolitisch klug sind, bleibt zweifelhaft. Selbst Russlands Regierungschef Wladimir Putin, dessen Land als UN-Vetomacht dem neuen Resolutionspapier zugestimmt hat, meinte am Donnerstag, Sanktionen seien insgesamt nicht effektiv. So entwickle Nordkorea sein Atomprogramm trotz internationaler Sanktionen und habe inzwischen verkündet, Atomwaffen zu besitzen.

Sanktionstext

Nachfolgend Wortlautauszüge des UN-Resolutionsentwurfes gegen den Iran, der am Mittwoch angenommen wurde: "Der Sicherheitsrat

* stellt mit großer Sorge fest, dass der Iran Uran auf 20 Prozent angereichert hat, und zwar ohne rechtzeitige Benachrichtigung der IAEO (...)

* entscheidet, dass alle Länder die direkte oder indirekte Lieferung (...) von Kriegsschiffen, Panzern, Artillerie- und Raketensystemen, Kampffliegern und -hubschraubern (...) verhindern sollen (...)

* entscheidet, dass dem Iran alle Aktivitäten mit Raketen untersagt sind, die Atomwaffen transportieren könnten (...)

* ruft alle Länder auf, finanzielle Dienste zu unterbinden (...), die zur Weiterverbreitung der iranischen Nuklearaktivitäten und dem Bau von Atomwaffen (...) beitragen könnten, unter anderem durch das Einfrieren von Konten und anderen Ressourcen (...)

* ruft alle Länder zu Vorkehrungen auf, die die Einrichtung neuer Filialen und Repräsentanzen iranischer Banken auf ihrem Territorium verhindern (...)"

+++ Analyse: Irans neuer Freund ist die Türkei