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Unabhängig - und dann?

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Konturen einer neuen schottischen Nation.


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Edinburgh. Schottlands Nationalisten, die ihrem Land jetzt staatliche Unabhängigkeit bescheren wollen, wussten immer schon, was nationale Souveränität für Schottland bedeuten würde. "Palmen", hat ein SNP-Sprecher einmal staunenden Reportern aus dem Süden erklärt. "Und Sonnenschein. Eine Menge Sonnenschein. Milch und Honig natürlich. Himmlisches Manna."

Zeitgenossen mit weniger Humor auf den Britischen Inseln sehen die Veränderungen, die auf sie zukämen, etwas nüchterner. Sollte es beim Referendum am Donnerstag nächster Woche wirklich zu einem Ja zur Unabhängigkeit kommen, würden unmittelbar Verhandlungen zwischen Edinburgh und London eingeleitet, damit Schottland am 24. März 2016 offiziell die Unabhängigkeit ausrufen könnte. Was würde sich mit der schottischen Unabhängigkeit ändern?

Das bisherige Territorium des Vereinigten Königreichs würde dramatisch schrumpfen. Ohne Schottland wäre Großbritannien auf einen Schlag um 32 Prozent kleiner. Die Bevölkerungszahl würde um 8,5 Prozent zurückgehen. Schottland hat etwa 5,3 Millionen Einwohner.

Der bisherige britische Einheitspass würde durch zwei Pässe und zwei separate Staatsbürgerschaften ersetzt. Wer zum im März 2016 in Schottland seinen Wohnsitz hätte, könnte automatisch schottischer Staatsangehöriger werden. Spätere Zuzügler, die einen schottischen Pass wollten, müssten sich um Staatsbürgerschaft in aller Form bewerben.

Statt der administrativen roten Linie auf britischen Landkarten würde erstmals eine echte Staatsgrenze zwischen Schottland und England entstehen. Die Westminster-Parteien sehen bereits bewaffnete Grenzposten an Schlagbäumen aufziehen. Die SNP dagegen verspricht eine "offene" Grenze, wie in der "Gemeinsamen Reisezone" zwischen Großbritannien und der Republik Irland, in der kein Pass vorgezeigt werden muss.

Bleibt allerdings die Frage, was wäre, wenn zum Beispiel Schottland Immigranten leichteren Zugang ins Land gewähren würde als Rest-Britannien - oder wenn England, Wales und Nordirland 2017 aus der Europäischen Union austräten, während Schottland sich mühte, wieder in die EU einzutreten.

Staatsoberhaupt soll Königin Elizabeth II. bleiben. Wiewohl es in der SNP starke republikanische Elemente gibt, hat die Führung der Nationalisten hier auf Kontinuität bestanden. Prinzipiell wäre es kein Problem, sich die Queen "zu teilen". Sie ist ohnedies nicht nur "Königin Elizabeth von Schottland", sondern Staatsoberhaupt von insgesamt 16 Commonwealth-Staaten - und könnte bei Abstechern nach Schottland in Edinburgh weiter in Holyrood Palace residieren und in ihrem geliebten Balmoral Castle Sommerurlaub machen.

Die SNP will auch den Kopf der Königin auf der künftigen schottischen Währung beibehalten. Sie strebt - fürs Erste - Währungseinheit mit England an. Die Westminster-Parteien halten das für eine Illusion. Sie betrachten politische Union als Voraussetzung für finanzielle (und verweisen auf die Krise der Eurozone). Alternativ könnte Schottland das britische Pfund auch ohne feste Absprache weiter benutzen oder sich eine eigene Währung schaffen. Früher einmal, vor der Kreditkrise von 2008, war noch Beitritt zum Euro offizielle SNP-Linie. Im Augenblick spricht vom Euro niemand.

Bei Fußball- oder Rugby-Tournieren ist Schottland ja schon immer mit eigenen Mannschaften angetreten. Künftig würde es auch bei Olympischen Spielen unter eigener Fahne antreten und ein Nationalteam stellen.

Die Nationalisten bestehen darauf, dass Schottland Verfügung über "sein" Öl und Gas in der Nordsee erhält. Über 90 Prozent der Ölquellen würden den Schotten zufallen. Erwartungen auf enorme Einnahmen sucht man in London zu dämpfen: Die Fördermenge sei schon gefallen, die Reserven seien ungewiss, Ausbeutung in tiefen Gewässern werde kostspielig werden. Die SNP-Führung glaubt hingegen, dass noch immer Reserven im Wert von über einer Billion Pfund im schottischen Teil des Nordsee-Sockels liegen, die Zeit für die Etablierung anderer Energieressourcen geben.

Bleibt ein Problem: Was soll aus Schottlands Panda-Bären werden? In Westminster beharrt man darauf, "dass Tian Tian und Yang Guang Geschenke für die britische Regierung waren". London will die Pandas bei sich haben, Edinburgh nicht hergeben.

7

8

6

Nordsee-Öl

Bären

2

Sport

5

4

Währung

Staatsoberhaupt

1

Staatsbürgerschaft

3

Territorium

Grenze