)
Neue Beziehung mit Montenegro. | EU-Integration hat absolute Priorität. | "Wiener Zeitung":Am Sonntag will sich Montenegro per Referendum aus dem Staatenverbund mit Serbien lösen. Was werden die Probleme sein, wenn es die erforderliche Mehrheit gibt?
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Roksanda Nincic: Wenn es in Montenegro eine Mehrheit für die Unabhängigkeit zu den von der EU unterstützten Bedingungen gibt, also von mehr als 55 Prozent der Wahlberechtigten, sollte es nicht viele Probleme geben. Aber bei einer Abspaltung müssen umfassende administrative und technische Angelegenheiten zwischen Serbien und Montenegro geregelt werden. Das reicht von Eigentumsrecht, Sozialversicherung und Gesundheitsversorgung bis hin zu den Nummernschildern der Autos. Priorität ist, dass kein Bürger jetzt existierende Rechte verliert - unabhängig davon, welcher Nationalität er dann angehört.
Müssen Sie ihre Zusammenarbeit nicht auch überdenken, wenn das Referendum keine Mehrheit für die Unabhängigkeit bekommt?
In irgendeiner Form müssen wir die Kontakte sicherlich überdenken. Es hat sich herausgestellt, dass die Staatsunion von Serbien und Montenegro bisher nicht ausreichend funktioniert hat. Die staatlichen Institutionen, vor allem das Parlament, waren nicht in der Lage, effizient Entscheidungen zu treffen.
Die Annäherungsgespräche mit der EU sind bis zur Auslieferung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Ratko Mladic unterbrochen. Wie sind denn die Verhandlungen bisher gelaufen?
Die Gespräche sind bemerkenswert reibungslos verlaufen. Wir waren sehr gut vorbereitet - manchmal besser als die andere Seite. Umso ernüchternder war, dass die Verhandlungen wegen des Kriteriums der Zusammenarbeit mit dem UN-Tribunal im Haag unterbrochen worden sind. Wenn die Verhandlungen bald wieder aufgenommen werden, könnten wir sie noch 2006 beenden.
Könnte sich ein unabhängiges Montenegro rascher der EU annähern als Serbien, wenn Belgrad es nicht schafft Mladic auszuliefern?
Wir wissen nicht, ob Montenegro unabhängig wird und wir glauben, dass Mladic sehr wohl ausgeliefert wird. Die Annäherung an die EU betrifft außerdem viele Bereiche. Die Zusammenarbeit mit dem Haag ist zwar ein wichtiges politisches Kriterium. Sie löst aber nicht andere Fragen - etwa die wirtschaftliche Entwicklung. Es berührt sie nicht einmal.
Was würden Sie der Regierung in Belgrad raten, um die schwindende Zustimmung in der Bevölkerung für die EU-Annäherung in den Griff zu bekommen?
Die EU-Integration ist seit Jahren eine absolute außenpolitische Priorität für Serbien-Montenegro. Dafür gibt es auch große Unterstützung in der Bevölkerung. Schwankungen in der Stimmung der Bürger hat es auch in anderen Ländern gegeben, die der EU zum Teil schon beigetreten sind. Derzeit gibt es möglicherweise eine gewisse Frustration. Die Gespräche mit der EU sind unterbrochen und die Situation mit dem Kosovo spielt wahrscheinlich auch eine Rolle.
Was könnte denn eine mögliche Lösung für den Kosovo sein und was wäre für Serbien inakzeptabel?
Die Unabhängigkeit des Kosovo wäre für uns inakzeptabel. Es gibt zwar Raum für Kompromisse. Bisher sind die Verhandlungen aber noch nicht so weit. Wichtige Fragen wie die Grenzen, die bewaffneten Kräfte und ein UN-Sitz sind noch gar nicht angesprochen worden. Der Schutz der Minderheiten muss absolut garantiert sein, die serbische ist die größte von ihnen. Es darf keine Lösung geben, die von einer Seite als unfair angesehen. Das würde anhaltende Instabilität nicht nur für Serbien sondern für die gesamte Region bedeuten.
Wäre Serbien nicht besser dran, wenn es den Kosovo los wäre?
Ich kenne niemanden in der serbischen Regierung oder Beamtenschaft, der das so sieht.