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Unabhängigkeit der BWB nicht mehr in Verfassung

Von Stefan Melichar

Wirtschaft

Weisungsfreiheit der Kartellwächter nur per einfachem Gesetz gesichert. | Wien. Die politische Unabhängigkeit der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) wird gemeinhin als wichtigste Grundvoraussetzungen für die Glaubwürdigkeit ihres Kampfes gegen Kartelle und Marktmissbrauch angesehen. Organisatorisch ist die Behörde zwar beim Wirtschaftsministerium angesiedelt, es gilt jedoch absolute Weisungsfreiheit. Diese ist verfassungsmäßig abgesichert - ein Schutz, der nun fallen dürfte.


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Vergangenen Mittwoch hat der Verfassungsausschuss des Nationalrats beschlossen, die Weisungsfreistellung von Behörden durch sogenannte "einfache" Gesetze zu ermöglichen. Bestehende Verfassungsbestimmungen in diesem Zusammenhang - darunter auch jene, die die Unabhängigkeit der BWB sichert - werden beseitigt. Das bedeutet, dass in Zukunft keine Zweidrittelmehrheit mehr nötig wäre, um die Weisungsfreiheit zu kippen. Die absolute Mehrheit - etwa die der Regierungsparteien - würde genügen.

ÖVP-Justizsprecher Heribert Donnerbauer wiegelt ab: Es handle sich bei dem Beschluss nicht um einen "ersten Schritt in Richtung Beschneidung der Unabhängigkeit der BWB", erklärte er anlässlich eines Wettbewerbssymposiums der Wirtschaftskammer am Freitag. Eine "Entrümpelung" der Verfassung sei aber notwendig.

Evaluierung zieht sich

Hannes Jarolim, Justizsprecher der SPÖ, mahnt jedoch zur Vorsicht: Man müsse "sehr sorgsam" mit der Unabhängigkeit von Behörden umgehen. Eine verfassungsmäßige Festlegung sei eben doch etwas anderes als eine per einfachem Gesetz. Hier sei aber - angesichts der neuen Gegebenheiten - ein Lernprozess in Gange.

Seit längerem in Gange ist die im Regierungsprogramm vorgesehene Evaluierung des österreichischen Kartellrechts. Allem Anschein nach dürfte es hier aber nicht so bald zu Ergebnissen kommen. Nach dem Koalitionsstreit um die im Frühjahr 2007 von der ÖVP geforderte Abschaffung des Bundeskartellanwalts (die "Wiener Zeitung" berichtete) scheinen die an der Evaluierung Beteiligten bemüht, keine neuen Wellen zu schlagen. Scheinbar hat man sich stillschweigend auf einen Fortbestand des Kartellanwalts, der SPÖ-Justizministerin Maria Berger gegenüber weisungsgebunden ist, geeinigt. In der Vergangenheit sind immer wieder Doppelgleisigkeiten zwischen Kartellanwalt und BWB kritisiert worden.

Letztere könnte nun dem Evaluierungsprozess neuen Schwung verleihen. Neben dem Geplänkel um die institutionelle Ausrichtung der Wettbewerbsaufsicht geht es dabei nämlich auch um grundsätzliche inhaltliche Fragen. BWB-Chef Theodor Thanner arbeitet gerade an einer entsprechenden "Wunschliste".