Neuverhandlung der Statusfrage ist so gut wie vom Tisch. | Urteil ist rechtlich nicht bindend, aber politisch gewichtig. | Den Haag/Brüssel. Fast zweieinhalb Jahre ist es her, dass sich der Kosovo offiziell von Serbien losgesagt hat. Am Donnerstag, bestätigte der Internationale Gerichtshof (IGH), dass dabei am 17. Februar 2008 "das allgemeine internationale Recht nicht verletzt", worden ist. Schließlich gebe es kein Verbot von Unabhängigkeitserklärungen im Völkerrecht, erklärte IGH-Präsident Hisashi Owada. | Dossier: Kosovo
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In Kosovos Hauptstadt Pristina löste das Urteil Jubel aus; Premierminister Skender Hyseni hatte bereits vorab erklärt, dass er für den Fall eines positiven Urteils die Anerkennung des Landes durch etwa 35 weitere Staaten erwarte.
Für Belgrad handelt es sich um einen Rückschlag. Sollte der Kosovo Recht bekommen, wären "keine Grenzen auf der Welt mehr sicher", hatte der serbische Außenminister Vuk Jeremic gewarnt. Serbien pochte vergeblich auf das Grundrecht eines Staates auf territoriale Integrität. Das Land betrachtet den Kosovo immer noch als seine Provinz und hatte für die Anforderung des Rechtsgutachtens vor zwei Jahren eine knappe Mehrheit der UNO-Vollversammlung bekommen. Die Aussichten auf Neuverhandlungen der Statusfrage oder allfälliger Grenzänderungen des kleinen Staates, die sich offenbar Belgrad gewünscht hätte, sinken nach dem Urteil gegen null.
Das Rechtsgutachten des IGH ist zwar nicht rechtlich verbindlich, hat aber große politische Bedeutung, die über den Kosovo hinausgeht. Denn Auftrieb könnte die Entscheidung des höchsten UNO-Gerichts zahlreichen Separatistenbewegungen rund um den Erdball geben.
Angst vor Separatismus
Bisher haben erst 69 der 192 UNO-Mitglieder die Unabhängigkeit des Kosovo anerkannt, darunter die meisten EU-Länder und die USA. Zahlreiche Staaten lehnen einen solchen Schritt ab, weil sie ansonsten Probleme mit eigenen Autonomiebewegungen fürchten. In der EU schrecken Spanien, Slowakei, Rumänien, Griechenland und Zypern vor einer Anerkennung zurück. Weltweit gelten Russland und China als schärfste Gegner einer Anerkennung.
Diplomaten verweisen aber auf die einzigartige Situation, des Kosovo. Schließlich ist die ehemalige serbische Provinz schon seit 1999 de facto vom damaligen Mutterland unabhängig. Nach dem Einschreiten der Nato gegen den blutigen Vormarsch der serbischen Armee wurde der Kosovo unter UNO-Verwaltung gestellt und von einer internationalen Militärmission gesichert. Seit der Unabhängigkeiterklärung übernimmt mehr und mehr die EU-Rechtsstaats- und Polizeimission Eulex die Aufgaben der UNO. Ihr waren langwierige Statusverhandlungen in Wien vorangegangen, bei denen UNO-Chefverhandler Martti Ahtisaari keine Annäherung zwischen Belgrad und Pristina erzielen konnte.
Schließlich hatte der frühere finnische Präsident und Friedensnobelpreisträger die "international überwachte" Unabhängigkeit als Ausweg präsentiert. Für die 120.000 Mitglieder der serbischen Minderheit und die serbisch-orthodoxe Kirche, die vor allem im Norden des Kosovo vertreten sind, gibt es starke Selbstbestimmung und Schutzregelungen. Die Mehrheit der rund zwei Millionen Kosovaren sind ethnische Albaner. Der Streit mit dem Ex-Mutterland Serbien muss auf dessen Weg in die EU jedenfalls gelöst werden.