Syriens Nachbarn müssen sich mit Machthaber Assad arrangieren: In erster Linie geht es dabei um Millionen Flüchtlinge.
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Einige Zeit hatte es so ausgesehen, als wäre Syriens Machthaber Bashar al-Assad Geschichte. Doch das ist mehr als zehn Jahre her. Mittlerweile hat sich der Diktator mit Hilfe seiner Armee und vor allem Russlands und des Iran im Bürgerkrieg durchsetzen können. Die Rebellen drängen sich unter islamistischer Führung in ihrer letzten Hochburg Idlib, nur ein Abkommen zwischen Russland und der Türkei stellt sicher, dass die Menschen dort überleben können.
Angesichts dieser Tatsachen sind Syriens regionale Nachbarn um eine Normalisierung der Beziehungen zu Damaskus bemüht. Erst am Montag trafen die Außenminister Jordaniens, Saudi-Arabiens, Ägyptens und des Irak in Amman mit ihrem syrischen Amtskollegen Faisal al-Mikdad zusammen. Thema der Gespräche war die allgemeine Lage nach einem Bürgerkrieg, der seit März 2011 wütet und in dem rund 300.000 Zivilisten getötet wurden. Laut Hilfsorganisationen befinden sich mehr als 13 Millionen Menschen auf der Flucht, viele Städte sind weiterhin verwüstet.
Neue Feindseligkeit
Bei den Gesprächen in Amman ging es dann auch um die sichere Rückkehr für syrische Flüchtlinge. Dafür soll Damaskus sich mit anderen Ländern sowie den Vereinten Nationen abstimmen und etwa öffentliche Dienstleistungen in einigen syrischen Regionen verbessern. Die meisten syrischen Flüchtlinge leben nach UNO-Angaben heute in der Türkei, Jordanien, dem Libanon und dem Irak. Allein in den Libanon sind seit Beginn des Krieges zwei Millionen Syrer geflohen.
Zunächst waren in den Gastländern Toleranz und Hilfsbereitschaft angesichts des Elends groß. Doch nachdem die "heiße Phase" des Krieges in Syrien vorbei war, hat sich das geändert. Zuletzt hat die libanesische Armee hunderte syrische Flüchtlinge festgenommen und einen Teil davon einfach nach Syrien abgeschoben. Erschwerend wirkt sich aus, dass der Libanon von einer massiven Wirtschaftskrise betroffen ist. Die Fremdenfeindlichkeit nimmt, wie auch in den übrigen syrischen Nachbarländern, dramatisch zu.
Auch deshalb ist man in der Region bemüht, Einverständnis mit Damaskus herzustellen. Staaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate und der Oman werben jetzt für eine Rückkehr Syriens in die Arabische Liga. Das nächste Gipfeltreffen der Organisation ist für diesen Monat in Saudi-Arabien angesetzt, die Frage dürfte das beherrschende Thema sein. Syriens Mitgliedschaft in der Arabischen Liga war im Jahr 2011 ausgesetzt worden, nachdem Regierungstruppen die Proteste im Land gewaltsam niedergeschlagen hatten.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass demnächst einiges an Bewegung in die drängenden Syrien-Fragen kommt. Immerhin haben die regionalen Rivalen Iran und Saudi-Arabien damit begonnen, nach Jahren der diplomatischen Eiszeit wieder bilaterale Beziehungen aufzunehmen. Riad hatte im syrischen Bürgerkrieg Rebellen unterstützt, der Iran ist enger Verbündeter der Assad-Regierung.
Die Annäherung zwischen Riad und Teheran bedeutet auch, dass sich der geopolitische Rahmen für Syrien ändert. Vor diesem Hintergrund ist es kein Zufall, dass Irans Präsident Ebrahim Raisi am heutigen Mittwoch zu einem zweitägigen Besuch nach Damaskus kommt. Die Reise sei allein schon "aufgrund der Veränderungen und Entwicklungen in der Region sehr wichtig", zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Irna Irans Botschafter in Damaskus. Es ist das der erste Besuch eines iranischen Staatschefs in Syrien seit Beginn des Bürgerkriegs. Teheran finanziert und bewaffnet eine Reihe von Milizen, die an der Seite der Regierungstruppen kämpfen.
Genau das ist Israel ein Dorn im Auge, das an Syrien grenzt und den Iran als Erzfeind betrachtet. So kontrollieren Iran-treue Milizen die Gegend um die ehemalige syrische Rebellenstadt Aleppo, wo ein Flughafen und ein Militärflughafen in Betrieb ist. Erst am Dienstag hat Israel dort mit Raketen angegriffen. Ein Waffenlager sei dabei zerstört, vier Menschen, darunter Zivilisten, getötet worden, wie die Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte vermeldete. Derartige israelische Angriffe auf militärische Ziele in Syrien finden regelmäßig statt, ohne dass viel darüber berichtet würde. Israel sieht die Präsenz des Iran im Nachbarland als strategische Bedrohung an. Mit den Angriffen will Israel verhindern, dass der Iran seinen militärischen Einfluss in Syrien ausbaut.
Friedenspfeife mit Erdogan
Unterdessen hat auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan begonnen, der neuen politischen Realität Rechnung zu tragen. Eine jahrelange Eiszeit zwischen ihm und Damaskus neigt sich langsam aber sicher dem Ende zu, zuletzt gab es in Moskau ein Treffen zwischen beiden Ländern auf Ministerebene. Immerhin hat die Türkei Millionen syrische Flüchtlinge im Land und will diese auf freiwilliger Basis in ihre Heimat zurückschicken. Eine Annäherung an Assad ist dabei unausweichlich.(schmoe)