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Unbedingter Wille zur Entwürdigung

Von Walter Hämmerle

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Die Aussagen Bandion-Ortners haben eine Debatte über das Verhältnis von Medien und Politik ausgelöst. Ändern wird sich eher nichts.


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Als "ultimatives Verbrechen gegen den Journalismus" bezeichnet Peter Laufer die heimische Angewohnheit, sich sogenannte Frage-Antwort-Interviews vom Interviewten autorisieren zu lassen. Der US-Journalist ist Buchautor und Professor an der University of Oregon.

Laufer, der des Öfteren in Österreich Station macht (auch schon in der Redaktion der "Wiener Zeitung"), vertritt eine radikale Position. Dass hierzulande Journalisten um Interviews "anfragen", ja mitunter sogar "bitten", kann er kaum fassen; und geradezu fassungslos macht ihn, wenn Politiker uns Medienmenschen die Gelegenheit "gewähren", sie mit Fragen zu behelligen.

Sprache ist verräterisch - und Peter Laufer ist überzeugt, dass in diesen Ritualen ein Machtgefälle deutlich wird, dass die Politiker über die Journalisten stellt. Für Laufer eine unerträgliche Konstellation, schließlich sind für ihn Journalisten die "Wächter der Demokratie", ohne welche die gesamte Gesellschaft in einen tiefen Abgrund aus Korruption, Fehlinformation und Desinformation abgleiten würde.

Laufers prinzipielle Anspruchshaltung an seine eigene Zunft ist hoch, sehr hoch sogar. Wahrscheinlich muss man ins radikal Prinzipielle gehen, um die mitunter ernüchternde Realität ertragen zu können, nicht nur, aber eben auch in Österreich. Und weil die Wirklichkeit so ist, wie sie nun einmal daherkommt, ist es ganz hilfreich, sich vor Augen zu führen, wie das Verhältnis zwischen Medien und Politik - aus der Perspektive des Journalismus betrachtet - eigentlich sein sollte. Zumal wir in Österreich ja beide Perversionen des Ist-Zustands kennen: das Buckeln der Medien vor der Politik und das ungenierte Anbiedern der Politiker an die Medienmächtigen. Schwer zu sagen, welche Entwürdigung der Demokratie mehr Schaden zufügt.

Zurück zu den Interviews und der leidigen Frage ihrer Autorisierung.

In der interessierten Community, also unter Journalisten, machte sich prompt die Erwartung breit, mit der Causa Bandion-Ortners und ihrer Aussagen zu saudischen Sitten bei Todesstrafe (nicht immer freitags) und weiblichen Kleidungsvorschriften (ganz praktisch) hätten sich die Gewichte zugunsten der Journalisten verschoben: Künftig sei es nämlich undenkbar, dass PR-Leute und Pressesprecher im Anschluss einfach die knackigsten, naturgemäß auch wirksamsten "Sager" aus einem Interview herausstreichen, selbst wenn die Passage wortwörtlich so auf Tonband festgehalten ist.

Schön wäre es, wenn damit tatsächlich ein Durchbruch im Kampf gegen den Trend des Glattredigierens verbunden sein sollte. Wahrscheinlich ist es nicht.

Dieser Pessimismus hat seine Ursachen in einer simplen Beobachtung: Wir, die Journalisten, werden immer weniger, während sie, die Pressesprecher und PR-Berater, immer mehr werden. Mittlerweile verfügt jeder Politiker, der etwas auf sich hält, über mindestens zwei, wenn nicht gleich drei persönliche Öffentlichkeitsarbeiter; keineswegs nur im Bund, auch in den Ländern ist das schon geübte Sitte. Und da sind die Pressesprecher der jeweiligen Institutionen noch gar nicht mitgezählt.

Der Journalismus ist in der Defensive. Und um das zu ändern, braucht es mehr als nur neuen Umgang mit Interviews.