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Unbeeindruckte Wirtschaft?

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Die politischen Rahmenbedingungen im In- und Ausland waren schon einmal besser. Ein angsteinflößender US-Präsident; eine als "Chaos-Lady" bezeichnete britische Premierministerin; ungelöste und gefährliche Konflikte in Korea und der Golfregion; ein russischer Präsident, der den Oppositionsführer verhaften lässt, unbeleckt von rechtsstaatlichen Grundsätzen. Ein hochverschuldetes Italien, das alle Reformen sistiert hat, und ein in den Seilen hängender Brexit.

Normalerweise sind das die Zutaten für eine Rezession. Was aber tut die Wirtschaft? Sie wächst so stark wie seit 2009 nicht mehr. Zwei Prozent sollen es in Österreich werden, im gesamten Euro-Raum gehen die Wachstumsraten rauf und die Arbeitslosigkeit runter. Woran liegt diese doch erstaunliche Entwicklung?

Nun, zum einen ist sie sicherlich den internationalen Notenbanken zu verdanken. Sowohl die Fed in den USA als auch die EZB im Euro-Raum und die Bank of England haben politische Versäumnisse der vergangenen Jahre ausgebügelt. Sie stabilisieren die Banken, finanzieren über Anleihekäufe die Realwirtschaft und entlasten mit niedrigen Zinsen die Staatshaushalte.

Zum anderen ist festzustellen, dass noch nie so viel Geld vorhanden war wie jetzt. Die börsennotierten Unternehmen in den Industriestaaten schütten Dividenden auf Rekordniveau aus. In Deutschland haben sich die Gewinne der Kapitalgesellschaften (ohne Finanzindustrie) seit 1991 auf 543 Milliarden Euro verdreifacht. Die Lohnquote, also der Anteil der "Massen-Einkommen" am Volkseinkommen, ist dagegen seither gesunken. In den Unternehmen hat sich - trotz Krisenjahren - so viel Geld angesammelt, dass nun investiert werden muss, was auch das Wachstum nach oben drückt.

Insgesamt ist es im Euro-Raum aber immer noch zu wenig, es werden mindestens so hohe Dividenden ausgeschüttet, wie investiert wird. In Summe sind es also kumulierte Gewinne, die in den Industriestaaten für konjunkturellen Sonnenschein sorgen. Nachhaltig ist diese Entwicklung allerdings nicht, es ist mehr die Auswirkung eines übervollen Gefäßes. Für die europäische Politik wäre es daher besser, die in den Unternehmen angesammelten Cash-Reserven anzuzapfen, wenn sie einen bestimmten Zeitraum sinnlos herumliegen. Denn von Investitionen profitieren alle, von hohen Dividenden nur wenige - unabhängig von politischen Risiken.