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Neue Gesellschaft will Bewusstsein für Burn-out und Therapieformen schärfen.
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Wien. Eine Million Gefährdete. Eine halbe Million Betroffene. Zweieinhalb Millionen Krankenstandstage: Über das Phänomen Burn-out geistern seit einigen Jahren ebenso vage wie alarmierende Zahlen durch Wissenschaft und Medien. Die psychische Erkrankung, von der Weltgesundheitsorganisation WHO schon als "größte Gefahr des 21.
Jahrhunderts" bezeichnet, ist längst im öffentlichen Bewusstsein angekommen. Doch ungeachtet der steigenden Anzahl an Berichten, Studien und Initiativen zum Thema wird die Erkrankung für Österreichs Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu einem immer größeren Problem. Der Grund dafür ist nicht nur, dass eine Zunahme von Burn-out-Fällen zu beobachten ist, sondern auch, dass der Informationsstand häufig immer noch mangelhaft ist. Ein Missstand, der einer effektiven Bekämpfung im Weg stehe, ist die kürzlich gegründete "Österreichische Gesellschaft für Arbeitsqualität und Burnout" (Burn AUT), überzeugt.
"Wir wissen nicht, wie viele Burn-out-Kranke es in Österreich gibt", stellt Michael Musalek, Präsident von Burn AUT, fest. Es fällt schwer, die tatsächliche Gefährdung einzuordnen - zum einen, weil eine Zahl von 900.000 psychischen Erkrankungen in Österreich erhoben wurde, diese aber nicht näher nach Art der Krankheit aufgeschlüsselt wird. Und auch ungenaue Abgrenzungen psychischer Krankheiten würden die Erhebung exakter Daten erschweren -
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denn häufig wird Burn-out fälschlicherweise mit Begriffen wie
Depression oder Überarbeitung gleichgesetzt, was den Krankheitsbegriff zu verwässern droht. Immerhin zeigt die zunehmende Zahl der Menschen, die mit Burn-out in Behandlung oder Frühpension gehen, deutlich an, dass die Krankheit auf dem Vormarsch ist.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, bedürfe es nach Ansicht Musaleks zum einen einer Verbesserung des Wissenstands in Wirtschaft, Forschung und Politik. Gelingen soll dies mit der verstärkten Vernetzung von Experten aus eben diesen Bereichen.
Arbeitsfreude als ein entscheidender Faktor
Zum anderen aber will man sich auch der Behandlung der Krankheit widmen - und dabei Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen in die Pflicht nehmen. Denn zentrale Bedeutung in der Burn-out-Bekämpfung misst die Gesellschaft dem Begriff der Arbeitsqualität bei. "Einer Reihe von Forschungsarbeiten zufolge ist Burn-out immer ein Wechselspiel von den Betroffenen und ihren Arbeitsbedingungen. Dabei geht es nicht nur um die Arbeitsmenge, sondern auch um die Arbeitsqualität, also Dingen wie Anerkennung, Fairness und Arbeitsfreude", so Musalek.
Um Burn-out vorzubeugen, ist nach Ansicht des Burn-AUT-Präsidenten einerseits der Arbeitnehmer gefragt. So müsse sich jeder Mitarbeiter regelmäßig mit seiner Arbeitssituation kritisch auseinandersetzen und zugleich auf das Vorhandensein von Burn-out-Kernsymptomen wie emotionaler Erschöpfung, Leistungseinbußen und Dehumanisierung, also der Entstehung einer zunehmend negativen Einstellung zu Mitmenschen am Arbeitsplatz, achten.
Arbeitgeber können schon mit einem Lob viel bewirken
Darüber hinaus sieht der Mediziner aber auch die Arbeitgeber in der Pflicht: "Arbeitgeber müssen sich mit der Problematik stärker auseinandersetzen und das nötige Wissen dazu akquirieren", fordert Musalek. Gerade hinsichtlich der Arbeitsqualität können Arbeitgeber oft schon mit wenig Aufwand viel bewirken: "Jeder weiß, wie viel Kraft ein Lob gibt. Es ist uns aber die Gewohnheit abhanden gekommen, Mitarbeiter zu loben", stellt Musalek fest.
Auf ein stärkeres Bewusstsein der Arbeitgeber drängt auch Burn-AUT-Vizepräsident Wolfgang Lalouschek: "Dort wo sich Burn-out-Fälle häufen, handelt es sich zumeist um ein Führungsproblem", so der Mediziner. Folglich ist eine Auseinandersetzung mit Burn-out auch im
Interesse des Arbeitgebers und nicht allein dem Arbeitnehmer zu überantworten.
Was aber ist Menschen zu raten, die glauben, von Burn-out betroffen zu sein? Musalek empfiehlt zunächst, sich an jene Person zu wenden, der man in gesundheitlichen Fragen das größte Vertrauen entgegenbringen kann, also etwa dem Hausarzt oder auch dem Betriebsarzt. Vor vermeintlich einfachen Behandlungsmethoden raten die Burn-AUT-Mediziner indes ab. "Wenn eine einfache Heilung mit einer einzelnen Behandlung versprochen wird, sollte man skeptisch sein", so Musalek. Burn-out bedürfe als komplexes Problem auch einer multiprofessionellen Behandlung, also des Einsatzes medizinischer Mittel, psychotherapeutischer Methoden, Coaching, körperorientierter Behandlungsmethoden - und vor allem der Lebensneugestaltung, "dem Schwierigsten an der Burn-out-Behandlung", wie Musalek betont. Denn um einer Burn-out-Erkrankung dauerhaft vorzubeugen, gilt es, die Umstände, die zur Erkrankung geführt haben, neu zu ordnen. "Arbeit ist per se nicht krankmachend", erinnert Lalouschek. Um hinzuzufügen: "Wir müssen Arbeit nur so gestalten, dass sie wieder zu einem Gesundheitsfaktor wird."