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Unbeliebte Krisensicherung

Von Patrick Krammer

Politik

Rotes Kreuz und Länder wollen beim Krisenschutz mehr eingebunden werden. 18.221 sprachen sich gegen den Entwurf aus.


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Mit so viel Partizipation hat das österreichische Parlament nicht gerechnet, als es seine in die Jahre gekommene Webseite modernisiert hat. Genau 18.221 Stellungnahmen wurden von Bürgerinnen und Bürgern zum geplanten "Bundes-Krisensicherheitsgesetz" abgegeben, 10.000 davon öffentlich einsehbar. Wer sie alle lesen will, muss sich durch 502 Seiten auf der Parlamentsseite klicken. Wie gesagt: Mit so einem großen Andrang hat niemand gerechnet. Dabei hätte man es kommen sehen können, beim Impfpflichtgesetz wurde die Parlamentsseite mit über 108.000 Stellungnahmen geradezu überflutet.

Die meisten der 18.221 Stellungnahmen sprechen sich klar gegen den Gesetzesentwurf des Innenministers aus, mit dem Gerhard Karner (ÖVP) das staatliche Krisenmanagement weiterentwickeln will. Es sollen Strukturen geschaffen und Fachgremien eingerichtet werden. Die Koordination zwischen Behörden soll sichergestellt, die Kommunikation gewährleistet werden. Unterhalb des Innenministeriums am Minoritenplatz soll ein Bundeslagezentrum gebaut werden, in dem bis zu drei Krisen gleichzeitig bearbeitet werden können. Obendrein sollen Berater eingeführt werden, die der Bundesregierung zur Seite stehen. Aber auch Grundsätzliches, wie die Frage, was eine Krise überhaupt ist, wann sie beginnt, wie sie endet, sollte das Gesetz ein für alle Mal klarstellen.

Viel Ablehnung aus unterschiedlichsten Gründen

Schon Ende Jänner berichtete die "Wiener Zeitung" über die auffällig vielen Stellungnahmen zum Krisensicherheitsgesetz, die in der ersten Woche bei einer Zahl von knapp 700 lag. Zum Vergleich: Die gestern im Nationalrat beschlossene Novelle des Maklergesetzes hatte zwei.

Viele Bürgerinnen und Bürger sehen ihre Grundrechte in Gefahr, fürchten um die Demokratie und fordern gleichzeitig ein Verbot aller Parteien, die so ein Gesetz mittragen. Sie warnen vor einer "Agenda der EU", "Globalisten" und einer "Dollfuß-Regierung". Bill Gates kommt genauso vor wie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und Österreichs Neutralität. Manche schreiben auch einfach: "Ich bin dagegen."

Auch die Oppositionsparteien outeten sich nicht als Fans des Entwurfs. Bei einer seltenen Aktion traten Mitte November alle drei Sicherheitssprecher der Oppositionsparteien SPÖ, FPÖ und Neos vor die Kameras, um der Regierung den Entwurf um die Ohren zu hauen. Vom Gesetz könne man nur den Namen behalten, so der Tenor. Douglas Hoyos (Neos) fehlte etwa die Verantwortung des Bundeskanzlers, der hier Berater zur Seite gestellt bekomme, an denen er sich nach der Krise abputzen könne. Hannes Amesbauer (FPÖ) sprach von einer "Verhöhnung des Parlaments, der Einsatzbehörden und der Bevölkerung". Reinhold Einwallner (SPÖ) stieß sich an den hohen Kosten für das Lagezentrum unter dem Innenministerium, das im ersten Entwurf mit 20 Millionen, im zweiten mit 50 Millionen bepreist war.

Institutionen nicht freundlicher gestimmt

Dass die Opposition sowie teilweise mobilisierte Corona-Maßnahmengegner gegen ein Gesetz zum staatlichen Krisenmanagement sein können, überrascht nicht. Doch auch die Institutionen der Republik brachten ihre Bedenken zum Ausdruck. Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes sah auf 26 Seiten Probleme. Die von der Regierung gewählte Definition einer Krise werfe Fragen auf. Etwa, welche Schutzgüter tatsächlich betroffen sind, die Formulierung "das Leben und die Gesundheit der Allgemeinheit" lasse das nämlich offen, so der Verfassungsdienst. Verfassungsrechtler Peter Bußjäger bemängelte den Entwurf im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" im Jänner aufgrund derselben Problematik. Auch an dem Regierungsberater stößt sich der Verfassungsdienst, da "keine Mindestanforderungen an die fachliche Eignung der zu bestellenden Personen geregelt werden". Die Opposition sieht hier die Gefahr einer parteipolitischen Besetzung im Raum schweben.

Das Rote Kreuz befürchtet eine Verschlechterung zu bestehenden Strukturen, weil man bei wichtigen Einsatzvorbereitungen weniger eingebunden werden würde. Auch der Dachverband der Sozialversicherungsträger sieht sich nicht ausreichend involviert.

Länder fühlen sich zu wenig eingebunden

Der Rechnungshof wies in seiner Stellungnahme mit Blick auf die neuen Aufgaben des Bundesheers auf einen "hohen personellen und sachlichen" Aufwand hin. Das Heer soll für autarke Kasernen sorgen und eine Versorgungssicherheit garantieren.

Auch die "zersplitterte Kompetenzrechtslage" zwischen Bund und Ländern sei ein Problem. Für präventive Dinge ist der Bund zuständig, bei der Krisenbewältigung sind es meist die Bundesländer. Man müsse deshalb die Kompetenzen noch klarer ausformulieren und akkordieren. Das sehen auch die Länder so: Gleich fünf Bundesländer verweisen in ihren Stellungnahmen auf einen Beschluss der Landeshauptleutekonferenz, in der man die Einbildung in die Gesetzeserstellung forderte. Die Landeshauptleute seien "zentrale Krisen- und Katastrophenmanager auf Landesebene", fühlen sich aber nicht ausreichend eingebunden.

Positiver ist dafür die Österreichische Rechtsanwaltskammer (ÖRAK). Man habe "keine grundsätzlichen Bedenken", rege aber eine bessere Information der Öffentlichkeit an. "Wie die Corona-Krise gezeigt hat, kommt betreffend Akzeptanz und Wirksamkeit von Maßnahmen dem Verständnis der Öffentlichkeit große Bedeutung zu." Die ÖRAK spricht sich deshalb für öffentliche Protokolle der Gremien aus. Das würde vielleicht auch all jene beruhigen, die eine Stellungnahme verfasst haben.